SPD:Sowohl als auch

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Die SPD müsse "die Partei des donnernden Sowohl-als-auch" sein. Parteichef Gabriel zitierte seinen wortgewaltigen Vorgänger Willy Brandt und rief damit seine Genossen zu unbedingter Geschlossenheit auf.

Von T. Denkler, C. Hickmann, Berlin

Womöglich werden die Szenen vom Parteitagspodium in die Geschichte der SPD eingehen. Jene Minuten am Freitagnachmittag, als das Wahlergebnis noch nicht verkündet war, Sigmar Gabriel aber schon wusste, dass die Delegierten ihn mit 74,3 Prozent abgestraft hatten. Man darf nach allem, was zu hören ist, davon ausgehen, dass er zumindest kurz daran gedacht hat hinzuschmeißen. Doch die Mitglieder der engsten Parteispitze redeten geradezu beschwörend auf ihn ein. Am Ende nahm der Chef die Wahl an - und von da an lief der Rest des Parteitags besser für ihn.

Noch am Freitagabend räumten die Delegierten die im Vorfeld heiß diskutierte Doppelspitze nach kaum einer halben Stunde Debatte ab. Anders als bei Grünen und Linken, wird in der SPD also auch künftig eine Person an der Spitze stehen, im Ortsverein wie auf Bundesebene. Vor allem im Bund sowie auf Landesebene hatte es die Sorge gegeben, dass die Doppelspitzen-Frage nicht auf Orts- und Kreisverbände beschränkt bleiben, sondern schnell auch die obersten Hierarchieebenen der SPD erreichen würde. Und schon hätte Gabriel die nächste Debatte am Hals gehabt.

Rote Linien für das Handelsabkommen TTIP wurden bestätigt

Auch am Samstag, dem letzten Tag des Parteitags, lief die Debatte über den Freihandel so, wie von der Parteispitze um Gabriel erwartet und erhofft. Dieses Reizthema weckt vor allem in der Parteilinken schlimmste Befürchtungen, während es Gabriel zugleich als Wirtschaftsminister zu verantworten hat. In der zweieinhalbstündigen Debatte beim Parteitag hatten sich dementsprechend bereits allerlei Linke zu Wort gemeldet, als sich kurz vor der Abstimmung auch Gabriel noch einmal einschaltete: Die SPD habe zu den Verhandlungen über das TTIP-Abkommen doch ohnehin schon klare Bedingungen beschlossen - und am Ende, so habe man es bereits vor geraumer Zeit festgelegt, werde noch einmal ein Parteitag oder ein Konvent entscheiden, ob die Verhandlungsergebnisse nun annehmbar seien oder nicht.

Appell an die Genossen: Greenpeace-Aktivisten beim Bundesparteitag. (Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa)

Danach nahmen die Delegierten den Leitantrag des Parteivorstands mit breiter Mehrheit an. Das fünfseitige Papier war in diversen Runden mühsam zwischen TTIP-Skeptikern und TTIP-Befürwortern austariert worden. Am Ende waren dann auch die Parteilinken weitgehend zufrieden - vor allem weil die im vergangenen Jahr auf einem Parteikonvent beschlossenen sogenannten "roten Linien" noch einmal bekräftigt wurden: Europäische Standards dürfen nicht abgesenkt werden, private Rechtsanwälte dürfen nicht in Schiedsgerichten sitzen, die Handelsstreitigkeiten beilegen. Mindeststandards für Arbeitsbedingungen müssen eingehalten werden. Und schließlich kam auch ein potenziell brisanter Antrag der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, kurz AfA, nicht durch. Die wollte, dass der Bundesparteitag das bereits fertig verhandelte Ceta-Abkommen mit Kanada ablehnt.

Zufrieden war der Vorsitzende offensichtlich trotzdem nicht. Bereits in der Freihandels-Debatte war Gabriel grundsätzlich geworden und hatte an sein Wahlergebnis vom Vortag erinnert: Es sei doch der Gegensatz zwischen Partei und Regierung gewesen, der "uns gestern auseinandergetrieben hat". Es gehe "um eine sehr prinzipielle Frage", nämlich die, "wie Partei mit Regierungsarbeit umgeht", hatte er gesagt. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine Partei werden, wo die einen rigoros das eine und die anderen rigoros das andere besprechen." Die SPD sei eine Partei, "die das Land und Europa führen" wolle. "Das ist der Anspruch, den die SPD hat - nicht nur Zufriedenheit mit der eigenen Position."

Am Ende wurde er in seinem Schlusswort noch deutlicher: Man müsse aufpassen, "dass die Rigorosität nicht Einzug hält in die Sozialdemokratie". Willy Brandt habe gesagt, die SPD müsse "die Partei des donnernden Sowohl-als-auch" sein. "Rigorosität hat nichts mit dem richtigen Leben zu tun, mit der Politik auch nicht", sagte Gabriel. Die SPD werde nur dann Erfolg haben, wenn sie "für die gemeinsame Sache kämpft und nicht gegeneinander".

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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