SPD:Schatten-Männer

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Bloß nicht festlegen lassen: Sie sagen nicht Ja, sie sagen aber auch nicht Nein. Und doch öffnen sich Martin Schulz und Olaf Scholz für eine Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr.

Von Christoph Hickmann

Sigmar Gabriel wirkt derzeit ziemlich selbstbewusst. Nach einer Phase der Unsicherheit samt Spekulationen über einen Rücktritt vermittelt der SPD-Vorsitzende sowohl intern als auch öffentlich den Eindruck eines Mannes, der entschlossen ist: erstens dazu, Parteichef zu bleiben, und zweitens dazu, diesmal auch die sozialdemokratische Kanzlerkandidatur auf sich zu nehmen. Bislang hieß es in der SPD stets, dass dazu sowieso kein anderer Spitzengenosse bereit sei. Doch ausgerechnet in dem Moment, da alles klar zu sein scheint, wackelt dieses Diktum.

In zwei Interviews melden sich dieser Tage jene beiden Männer zu Wort, die immer wieder als mögliche Alternativkandidaten genannt werden. In den Gesprächen finden sich keine klaren Bekenntnisse, stattdessen geht es um Nuancen, die für Außenstehende kaum nachvollziehbar sind - doch so ist das nun mal, wenn Spitzenpolitiker das Terrain sondieren. Wer die komplizierten Codes entschlüsselt, entdeckt in den Interviews Bemerkenswertes, etwa in jenem Gespräch, das Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, kürzlich mit der Welt am Sonntag führte. Auf die Frage, ob er Kanzlerkandidat werden wolle, antwortete er, die SPD habe "einen sehr, sehr starken Parteivorsitzenden", den er "mit Haut und Haaren" unterstütze - außerdem habe er selbst "nicht viel Zeit, über meine Zukunft nachzudenken".

Das war alles andere als eine klare Absage. Dass Schulz' Interview öffentlich trotzdem so verstanden wurde, lag vor allem an einem Satz: "Mein Platz ist in Brüssel." Diese Aussage, im Präsens formuliert, lässt für die Zukunft alles offen. Trotzdem konnte sie als Absage interpretiert werden, weshalb Schulz den Satz so wohl nicht noch einmal formulieren würde. Aus Parteikreisen ist jedenfalls zu hören, dass Schulz sich gründlich missverstanden gefühlt habe. Intern hat er demnach klargemacht, dass er sich keineswegs habe aus dem Spiel nehmen wollen.

Eine Woche später äußert sich nun Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz im Spiegel. Auch Scholz lässt keinen Zweifel an seiner Loyalität zum Vorsitzenden aufkommen. Doch auch er lässt einigen Spielraum für Interpretationen: Es sei gut, sagt Scholz, "dass die SPD eine Reihe von Personen hat, denen man das Kanzleramt zutraut". Und es sei "keine Strafe, Kanzlerkandidat der SPD zu werden". Das klingt erst einmal nicht weiter aufregend. Wer aber weiß, wie sehr Scholz seine eigenen Worte auf die Goldwaage zu legen pflegt, versteht: Hier will sich jemand zumindest nichts verbauen. Den einfachen Satz, wonach er nicht zur Verfügung stehe, sagt Scholz genauso wenig wie Schulz.

Wenn die SPD also doch drei potenzielle Kandidaten hat - wäre dann nicht ein Mitgliederentscheid die beste Lösung, wie ihn Gabriel ins Spiel gebracht hat? Wohl kaum. Schulz gilt als einer der wenigen politischen Freunde, die Gabriel überhaupt hat, dürfte ihn also eher nicht herausfordern. Und Scholz? Dem ist kaum etwas so zuwider wie der Eindruck der Zerrissenheit. Außerdem müsste er das Risiko eingehen, gegen Gabriel zu verlieren. Zum Zuge kommen könnten Schulz oder Scholz also nur, wenn Gabriel sich doch zurückzöge.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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