SPD:Dominoeffekt

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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat die Personalie vorgeschlagen – unverbindlich. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Wird Lars Klingbeil neuer SPD-Generalsekretär, hat das machtpolitische Folgen - bis hin zu Fraktionschefin Andrea Nahles.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Die Entscheidung von SPD-Chef Martin Schulz, den niedersächsischen Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil als neuen Generalsekretär vorzuschlagen, hat die Unruhe in der Partei noch verstärkt. Die am Donnerstag bekannt gewordene Personalie rief intern Kritiker auf den Plan, die ihre Bedenken allerdings nicht öffentlich äußern wollten. Dabei ging es weniger um die Person Klingbeils als um die Folgen, die seine Nominierung für das innerparteiliche Machtgefüge haben könnte. Klingbeil soll auf Generalsekretär Hubertus Heil folgen, der das Amt im Dezember abgeben will. Schulz will ihn am Montag im Präsidium vorschlagen.

Im Umfeld des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil trat man der in der Partei kursierenden Darstellung entgegen, die Personalie beruhe auf einer Absprache zwischen Schulz und Weil. Tatsächlich habe Weil, als er von Schulz nach möglichen Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs gefragt worden sei, den Namen Klingbeil genannt. Dieses Gespräch habe allerdings nicht den Charakter einer Abmachung oder sonst wie verbindlichen Übereinkunft gehabt. Weil habe auch zu keinem Zeitpunkt darauf gedrungen, dass Klingbeil oder ein anderer Niedersachse den Posten bekommen solle, hieß es in Weils Umfeld weiter.

Noch mehr interne Diskussionen lösten die machtpolitischen Folgen aus. Klingbeil, 39, gehört dem konservativen Seeheimer Kreis und damit jener Strömung an, aus der auch Schulz kommt. Damit wiche die Partei von der Balance zwischen den Flügeln ab. Noch schwerer wiegt die Tatsache, dass in der SPD, falls Klingbeil beim Parteitag im Dezember gewählt würde, drei von vier Schlüsselposten mit Männern besetzt wären. Neben Klingbeil, Parteichef Schulz und dem Parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider (der auch zum Seeheimer Kreis gehört) bliebe als einzige Frau Fraktionschefin Andrea Nahles - obwohl stets betont wird, die SPD müsse weiblicher werden. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Elke Ferner, sagte, ein weiterer Mann sei zu viel. Stattdessen wäre eine Generalsekretärin "das richtige Signal".

Auch für Fraktionschefin Andrea Nahles könnte die Personalie Folgen haben. Sie hat sich dafür ausgesprochen, ihren Vorgänger Thomas Oppermann für das Amt eines Bundestagsvizepräsidenten zu nominieren. Oppermann muss sich allerdings bei der Abstimmung in der SPD-Fraktion am Montagabend zwei Gegenkandidatinnen stellen: der bisherigen Vizepräsidentin Ulla Schmidt und der kürzlich abgelösten Parlamentarischen Geschäftsführerin Christine Lambrecht. Bis zur Veröffentlichung der Personalie Klingbeil galten die Chancen des ebenfalls aus Niedersachsen stammenden Oppermann als gut, schließlich hatte sich der geschäftsführende Fraktionsvorstand für ihn ausgesprochen. Nun aber gilt es als fraglich, ob die Fraktion einen weiteren niedersächsischen Mann wählt.

Fiele Oppermann durch, wäre dies ein Dämpfer für Nahles. In der Fraktion wurde spekuliert, ob Schulz dies sogar gelegen kommen könnte. Erstens musste er zuletzt befürchten, gegenüber einer allzu starken Fraktionschefin Nahles ins Hintertreffen zu geraten. Zweitens hat er mit Oppermann noch eine Rechnung offen, weil der ihm am Wahlabend klargemacht hatte, dass er nicht neben dem Partei- auch den Fraktionsvorsitz beanspruchen könne. Drittens kommt Oppermanns Gegenkandidatin Schmidt aus Schulz' Landesverband Nordrhein-Westfalen, den der SPD-Chef beim Parteitag hinter sich haben muss.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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