SPD:Dieser Zettel

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Nun muss der Koalitionspartner entscheiden. Doch die SPD sucht noch ihre Strategie im Umgang mit der Union.

Von Mike Szymanski

Einfach Nein sagen geht nicht, einfach Ja sagen aber auch nicht. Sie muss verhindern, dass ihre Partei auch noch Schaden nimmt: Andrea Nahles, Partei- und Fraktionschefin. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Der Asylstreit liegt jetzt bei der SPD. Es ist Dienstagmorgen, 8.30 Uhr. Es melden sich zu Wort: die Streitlustigen. Martin Schulz, der Ex-Parteichef, ist jedenfalls richtig geladen. Es könne ja nicht sein, "dass sich da ein paar Durchgeknallte" in der Union wochenlang beschimpften und beleidigten, und dann solle die SPD jetzt mal hinmachen und entscheiden, wie sie "mit dem Blödsinn" umgeht. Es ist dann noch bemerkenswert, wie er über "egomanische Trips" älterer Herren spricht und "testosterongetriebene Politik". Denn da spricht ausgerechnet noch ein anderer SPD-Mann vor der Fraktionssitzung, als sei er Vorsitzender. Sigmar Gabriel, einer, der in seiner Zeit als Parteichef auch gerne mal den Macker gab und Druck aufbaute, bis es quietschte: Einen "unglaublichen Vorgang" nennt er es, wie Seehofer da nun Merkel erpresst habe.

Und wer geht an allen Kameras vorbei, mit ernster Miene, aber gedämpftem Mitteilungsdrang: Parteichefin Andrea Nahles. Große Aufregung bei der SPD, ist es nicht genau das, was CDU und CSU bezweckten, als sie ihren Kompromissvorschlag präsentierten und ausgerechnet von "Transitzentren" sprachen? Und was heißt hier Kompromissvorschlag, wenn er am Ende doch nur neuen Krach auslösen soll - aber dieses Mal bei der SPD.

Die Partei lehnte sie bereits 2015 ab; "Massenlager im Niemandsland" nannte der damalige Justizminister Heiko Maas sie. Wenn die Union nun bewusst von Transitzentren redet - so die Lesart in der SPD - dann will sie den Aufschrei bei ihr provozieren. "Es ist eine Falle", sagen Teilnehmer der Fraktionssitzung am Dienstagmorgen. Wenn die SPD jetzt anfange, offen zu streiten, dann schaue keiner mehr auf die Union. Jetzt einfach zu sagen: "Nein, machen wir nicht mit" würde am Ende nur der Union in die Hände spielen. Die würde dann sagen können, die Sozialdemokraten seien schuld, wenn die Regierung auseinanderbricht. Diesen Gefallen werde man ihr nicht machen. Nahles macht Teilnehmern zufolge schnell klar, dass der offenbar hastig zusammengeschusterte Kompromiss jedenfalls nicht so kommen werde, wie ihn CDU und CSU in ein paar dürren Zeilen aufgeschrieben haben. Dieser "Zettel", so wird Nahles wiedergegeben, sei nicht das Endprodukt. Beim Namen geht es schon los. Der Begriff Transitzentren treffe so nicht zu. "Jedenfalls wenn man zugrunde legt, dass es sich dabei um Transitzentren handelt, die wir 2015 diskutiert haben, dann ist das hier nicht derselbe Sachverhalt." Es gehe heute nur um eine bestimmte Gruppe von Flüchtlingen: jene nämlich, die in anderen Ländern schon Schutz gefunden haben.

Schnellere Verfahren hatte die SPD bereits von sich aus ins Gespräch gebracht. Aber es geht um die Frage, wie man diese Flüchtlinge während des Verfahrens unterbringt - und ob das Haft sein muss. In der SPD-Spitze ist klar, eine Einigung wäre zu erreichen. Es gehe nicht um das Ob, sondern um das Wie. Und wo am Ende die SPD bleibt. Ihr Innenexperte Burkhard Lischka sagt, die SPD müsse eben auch Forderungen stellen, statt nur Kompromisse zu Randthemen abzunicken. "So sollte die SPD von Herrn Seehofer die Zuständigkeit des Bundes bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Gefährdern einfordern. Dafür braucht nicht einmal ein Gesetz geändert werden." Es gehe auch um "Augenhöhe in der Koalition", heißt es oft an diesem Tag. Gerade erst hat die SPD einen Fünf-Punkte-Plan zur Migrationspolitik verabschiedet. Einfach machen, was CDU und CSU verlangen, das gehe eben nicht. Die Fraktion jedenfalls - so hat es am Morgen den Anschein - hält den Ball flach. Den ganzen Tag über soll nun in verschiedenen Gruppen weiter darüber gesprochen werden, was vom Unions-Vorschlag zu halten sei. Nahles sagt, es gebe "noch ungedeckte Schecks in dieser Verabredung". Vor allem brauche es ein Abkommen mit Österreich und auch mit Italien. Am Abend kamen die Koalitionsspitzen wieder zusammen.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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