SPD:Die Fragilität des Seins

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Als der Bundeskanzler noch Bürgermeister war: Laura Ludwig (li.) und Kira Walkenhorst schauen im Juli 2017 nach ihrem WM-Sieg bei Hamburgs Stadtoberhaupt Olaf Scholz vorbei. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz wird immer wieder genannt, wenn es um mögliche Alternativen zum amtierenden SPD-Chef Martin Schulz geht. Doch der muss um sein Amt nicht fürchten - vorerst jedenfalls nicht.

Von Christoph Hickmann

Wenn Politiker an Wahlabenden und den Tagen danach auftreten, hat die politische Phrase Hochkonjunktur. Es geht dann um den "Wählerauftrag", den man respektieren, um Ergebnisse, mit denen man sich "intensiv auseinandersetzen" müsse. Was Martin Schulz am Montagmorgen zu sagen hat, dürfte allerdings aus tiefstem Herzen kommen. Da übergibt er im Willy-Brandt-Haus den obligatorischen Blumenstrauß an den niedersächsischen Wahlsieger Stephan Weil und sagt: "Vielen, vielen Dank!" Schulz weiß: Der Mann hat womöglich seine politische Zukunft gesichert.

Drei Wochen liegt Schulz' eigene Niederlage nun zurück - doch bis zur Niedersachsenwahl sollten in der SPD alle Personal- und sonstigen Diskussionen erst einmal zurückgestellt sein. Und dann? Dann, so wurde geraunt, könne es womöglich doch noch eine Debatte darüber geben, ob Schulz, 61, der richtige Mann ist, um die SPD aus dem 20,5-Prozent-Tief zu führen. Immer wieder fiel dann der Name Olaf Scholz, 59.

Der Hamburger Bürgermeister würde sich die Rettung der Sozialdemokratie wohl jederzeit zutrauen. Doch um nach dem Vorsitz zu greifen, müsste er ins Risiko gehen, sich aus der Deckung wagen. Es gibt noch Genossen von Rang, die darauf hoffen - und daher am Sonntagabend gespannt die ARD-Gesprächsrunde von Anne Will verfolgten, wo Scholz die SPD vertrat. Im Willy-Brandt-Haus hatte er sich zuvor beim Jubel-Auftritt der Parteispitze nicht blicken lassen, nun wurde er von der Moderatorin gefragt, ob Schulz "stabilisiert" sei. Darauf Scholz: "Martin Schulz ist Vorsitzender, und das ist gut für die SPD und für ihn, dass wir dieses Wahlergebnis haben. Großen Dank an Stephan Weil."

Ein flammendes Bekenntnis zum Vorsitzenden klingt anders. Doch es war auch nicht das Signal, auf das mancher Scholz-Unterstützer gehofft haben dürfte.

Ähnlich moderat geht es dann am Montag weiter. Aus den Sitzungen der engsten Parteiführung und des Präsidiums werden weder Richtungs- noch Personaldebatten überliefert. Auch die anschließende Klausursitzung des Parteivorstands verläuft vergleichsweise ruhig. Einzelne Redner fordern eine Debatte ein - etwa die Bundestagsabgeordnete Dagmar Schmidt, die kritisiert, dass man schon wieder auf der Basis demoskopischer Erkenntnisse diskutiere. Stattdessen müsse die SPD dringend eine inhaltliche Debatte führen.

In dieser Sitzung setzt dann auch Olaf Scholz ein paar Punkte: Es sei ja ganz schön, dass alle Debatten führen wollten, so wird er sinngemäß von Teilnehmern zitiert - aber man müsse sie auch beginnen. Dann spricht er die Flüchtlingspolitik an, die nach wie vor viele Menschen beschäftige. Er sagt, dass viel zu viele Menschen nicht mehr gut von ihren Gehältern leben könnten. Hier gelte es zu handeln. Und er wird mit der Befürchtung zitiert, dass die 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl womöglich nicht der natürliche Tiefstpunkt für die SPD seien, es also auch noch weiter nach unten gehen könne.

Einen eigenen Anspruch oder eine Kritik an Schulz verbindet er mit seinen Einlassungen aber nicht. Sitzt Schulz damit nun fest im Sattel? Das wäre wohl die falsche Metapher für einen Vorsitzenden, bei dem selbst Gefolgsleute ihre Zweifel haben, ob er der Partei jene Impulse geben kann, die sie nun dringend bräuchte. Wie fragil die Lage ist, zeigt auch das Wort von der "begleiteten Parteiführung", das am Montag im Willy-Brandt-Haus kursiert - worunter offenbar manche Genossen verstehen, dass man den zwar an der Basis beliebten, aber nicht als großen Strategen bekannten Schulz künftig ein wenig an die Hand nehmen müsse. In der Parteizentrale wird außerdem aufmerksam wahrgenommen, dass Wahlsieger Stephan Weil einen ziemlich souveränen eigenen Auftritt vor der Bundespressekonferenz absolviert, während die SPD-Gremien noch tagen.

Wirklich gefestigt wirkt all das noch nicht. Einiges wird auch davon abhängen, ob Schulz demnächst ein schlüssiges Personalpaket für die viel beschworene "Erneuerung" präsentiert - mit Betonung auf der Personalie des Generalsekretärs. Oder der Generalsekretärin. Von Ende Oktober an will die SPD außerdem auf sogenannten Dialogveranstaltungen über das Wahlergebnis und die Konsequenzen reden.

Dabei, so sagt es Schulz am Montagnachmittag beim Auftritt vor der Presse, wolle er erst einmal "sehr sorgfältig" zuhören, statt mit einem fertigen Zehn-Punkte-Plan zu kommen. "Wir haben organisatorisch, programmatisch und auch personell einen langen Weg vor uns." Als er auf die Formel von der "begleiteten Parteiführung" angesprochen wird, sagt er, davon habe er noch nie gehört. "Ich kann noch alleine gehen."

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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