Spanien:Sozialisten lenken ein

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In Spanien zeichnet sich ein Ende der politischen Blockade ab: Die Sozialisten entmachten ihren Chef, der vehement "Nein" zu seinem konservativen Gegner Rajoy gesagt hatte.

Von Thomas Urban, Madrid

In Madrid haben sich am Montag die Anzeichen verdichtet, dass die seit neun Monaten andauernde politische Blockade im Parlament in Kürze enden wird. Für die erst am Vortag gewählte kommissarische Führung der oppositionellen Sozialisten (PSOE) erklärte der Präsident der Region Asturien, Javier Fernández, seine Partei wolle vorgezogene Neuwahlen verhindern. Am Samstagabend war der PSOE-Chef Pedro Sánchez nach heftigen internen Auseinandersetzungen von seinem Amt zurückgetreten. Sánchez hatte bislang den Kurs einer Totalblockade vertreten: Da er selbst zweimal mit der Regierungsbildung im Parlament gescheitert war, wollte er auch seinem innenpolitischen Konkurrenten, dem konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, den Weg zu einer weiteren Amtszeit verbauen.

Wie schon die regulären Wahlen am 20. Dezember vergangenen Jahres hatten auch die vorgezogenen Wahlen am 26. Juni keine klaren Mehrheiten erbracht: Weder ein Bündnis der bislang allein regierenden konservativen Volkspartei (PP) Rajoys mit den liberalen Ciudadanos (Bürger), noch eine Koalition aus PSOE und der linksalternativen Gruppierung Podemos verfügt über eine Mehrheit. Entscheidender Faktor sind Abgeordnete der Regionalparteien aus dem Baskenland und aus Katalonien, die aber für die großen Parteien nicht als Koalitionspartner in Frage kommen, weil sie Abstimmungen über eine staatliche Souveränität ihrer Heimatregionen fordern.

Nach der Wahlordnung muss bis Ende Oktober eine Regierung stehen, sonst müsste König Felipe VI. das Parlament auflösen. Der Termin für die dritten Wahlen innerhalb eines Jahres fiele auf den ersten Weihnachtstag.

Allerdings belegen alle Umfragen, dass der Trend für die Konservativen und gegen die Sozialisten spricht. Aus diesem Grunde wurde Sánchez in den vergangenen Wochen von führenden PSOE-Politikern, darunter die früheren Premierminister Felipe González und José Luis Zapatero, aufgefordert, ein Minderheitskabinett unter Rajoy zu ermöglichen und als Oppositionsführer weiter Erfahrungen zu sammeln. Eine derartige Konstruktion liege sogar im Interesse der Sozialisten, wurde argumentiert: Rajoy werde wegen seines Sparprogramms als Regierungschef unpopulär bleiben und könnte jederzeit in einem günstigen Moment per Misstrauensvotum gestürzt werden.

Der PSOE-Chef stürzte schließlich über seine kompromisslose Haltung zu Rajoy

Da sich aber Sánchez derartigen taktischen Überlegungen verschloss und hartnäckig sein "Nein" zu Rajoy verteidigte, formierte sich der Widerstand in den eigenen Reihen gegen ihn. Er wurde gewarnt, dass bei vorgezogenen Wahlen der PSOE erneut eine schwere Niederlage drohe. Sánchez versuchte die Flucht nach vorn und schlug einen außerordentlichen Parteitag sowie eine Mitgliederbefragung über den Posten des Parteichefs vor. Doch verlor er die entscheidende Abstimmung am Samstagabend mit 133 zu 109 Stimmen und trat zurück.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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