Spanien:Puigdemonts Statthalter

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Der 55-jährige Joaquim Torra ist Anwalt, Schriftsteller und Verleger. Torra ist ein enger Vertrauter seines Vorgängers Puigdemonts und soll sich eher als Stellvertreter sehen. (Foto: Lluis Gene/AFP)

In Barcelona wählt das Parlament den Separatisten Quim Torra zum Regionalpräsidenten. Sein Ziel benennt der 55 Jahre alte Anwalt und Publizist ganz klar: eine unabhängige Republik Katalonien.

Von Thomas Urban, Madrid

Der Anwalt und Publizist Quim Torra ist am Montag zum neuen Regierungschef der Region Katalonien gewählt worden. Der 55-Jährige ist einer der profiliertesten Vertreter des katalanischen Separatismus, in seiner Bewerbungsrede nannte er die Schaffung der Republik Katalonien als politisches Ziel. Damit setzte er einen scharfen Akzent gegen die Zentralregierung in Madrid. Der spanische Premier Mariano Rajoy kommentierte die Aussagen des Katalanen mit den Worten: "Das hat uns nicht gefallen. Wir werden weiterhin die Verfassung verteidigen."

Die wirtschaftsstarke Region steht seit Oktober unter Zwangsverwaltung Madrids, nachdem der damalige Regionalpräsident Carles Puigdemont die Republik Katalonien proklamiert hatte. Spaniens Verfassung sieht aber die Sezession einer Region nicht vor, Madrid setzte deshalb Puigdemont ab, mehrere seiner Minister befinden sich in Untersuchungshaft.

66 Abgeordnete des katalanischen Parlaments in Barcelona stimmten nun für Torra, 65 dagegen. Seinen hauchdünnen Sieg bei der Abstimmung hatte er den vier Abgeordneten der neomarxistischen Gruppierung CUP zu verdanken, die sich enthielten. Es handelte sich um den zweiten Wahlgang, für den die einfache Mehrheit reichte. Am Samstag hatte Torra die im ersten Wahlgang geforderte absolute Mehrheit der 135 Abgeordneten mit demselben Ergebnis verfehlt. Sein Amt kann er allerdings erst antreten, wenn ein von König Felipe VI. unterzeichnetes Dekret im Gesetzblatt der Region Katalonien veröffentlicht ist. Dessen Redaktion untersteht jedoch seit der Absetzung der Regionalregierung unmittelbar Madrid.

Ministerpräsident Rajoy zeigt sich bereit zum Gespräch

Zu Forderungen einer Gruppe von Abgeordneten des spanischen Parlaments, die Wahl Torras wegen dessen offen verfassungsfeindlicher Rede nicht anzuerkennen, sagte Rajoy allerdings: "Es werden die Taten zählen." Er bekundete seine Bereitschaft, mit Torra über die Zukunft Kataloniens zu reden. Auch dieser erklärte nach seiner Wahl, er werde eine Einladung in den Regierungspalast Moncloa in Madrid gern annehmen. Die Kommentatoren der spanischen Presse sind sich nicht schlüssig, wie sie Torra einschätzen sollen. Dieser erklärte in den Tagen vor seiner Wahl wiederholt, er verstehe sich nur als Platzhalter Puigdemonts, der der legitime Präsident Kataloniens sei. Puigdemont wartet derzeit in Berlin auf die Entscheidung der deutschen Justiz über ein spanisches Auslieferungsbegehren. Ihm soll wegen Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Mittel der Prozess gemacht werden.

Es herrscht auch keine Einigkeit in der Einschätzung des Tandems Puigdemont-Torra, die als enge Verbündete gelten. Ein Teil der Kommentatoren sieht Torra als Strohmann seines Vorgängers im Amt des Regionalpräsidenten, andere aber sehen in ihm den intellektuellen Stichwortgeber hinter Puigdemont, der vielen seiner Landsleute wegen seiner Wankelmütigkeit als politisches Leichtgewicht gilt. Torra, der als Jurist zwei Jahrzehnte in der Rechtsabteilung des Schweizer Versicherungskonzern Winterthur gearbeitet hatte, machte sich in den letzten Jahren einen Namen als Publizist und Museumsdirektor. Im Mittelpunkt seiner Aktivität standen Publikationen und Ausstellungen über den gescheiterten Weg der Katalanen zur unabhängigen Republik in den Dreißigerjahren sowie deren Unterdrückung während der Franco-Diktatur (1939 - 1975).

Das Wahlergebnis bestätigt allerdings auch, dass die Mehrheit der Separatisten äußerst fragil ist. Die CUP fordert nach wie vor eine sofortige Loslösung von Madrid, obwohl die drei separatistischen Gruppierungen im katalanischen Parlament bei den Regionalwahlen im Dezember zusammen nur 47 Prozent der Stimmen erhalten hatten. Die traditionsreichen Linksrepublikaner (ERC) treten hingegen für eine Normalisierung der Beziehungen zu Madrid ein, Priorität müsse die Freilassung der katalanischen Aktivisten haben, die sich seit Herbst in Haft befinden; außerdem gebe es derzeit keine ausreichende gesellschaftliche Basis für eine Unabhängigkeit. Der parteilose Torra wurde auf der Liste des liberalkonservativen Wahlbündnisses Gemeinsam für Katalonien (JxC) ins Parlament gewählt, das für Marktwirtschaft und einen Verbleib der Region in der EU eintritt. Beides lehnt aber die CUP ab, von deren Stimmen Torra abhängt.

© SZ vom 15.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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