Spanien:Neuwahlen rücken näher

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Es war die zweite Abstimmung, und für Mariano Rajoy die zweite Niederlage. Der geschäftsführende Premierminister ist erneut bei der Regierungsbildung gescheitert. Neuwahlen werden wahrscheinlicher. Es wäre die dritte Wahl in diesem Jahr.

Von Thomas Urban, Madrid

Erwartungsgemäß ist der geschäftsführende spanische Premierministers Mariano Rajoy auch bei der zweiten Abstimmung über eine weitere Amtszeit im Parlament gescheitert. Im Kongress, dem Unterhaus in Madrid, stimmten am Freitagabend erneut lediglich 170 der 350 Abgeordneten für den Konservativen, 180 aber gegen ihn. Damit bleibt Spanien weiterhin ohne handlungsfähige Regierung. Seit den Parlamentswahlen vom 20. Dezember herrscht im Parlament ein Patt zwischen den Konservativen und Liberalen auf der einen und den links orientierten Parteien auf der anderen Seite. Auch die vorgezogene Wahl am 26. Juni konnte diese Blockade nicht auflösen. Dem Parlament bleiben nun zwei Monate, um doch noch eine Mehrheit für die Regierungsbildung zustande zu bringen. Andernfalls finden am 25. Dezember die dritten Wahlen innerhalb eines Jahres statt.

Die Regierungsbildung scheiterte bislang an zwei Fragen: Bis auf die liberalen Ciudadanos (Bürger) lehnen alle anderen Fraktionen Rajoy als Regierungschef ab; ihm wird die politische Verantwortung für Korruptionsaffären gegeben, in die Spitzenleute der von ihm geführten konservativen Volkspartei (PP) verstrickt sind. Dass ausgerechnet der Chef der Sozialisten (PSOE), Pedro Sánchez, dieses Argument besonders laut anführt, wird indes von einem Großteil der Kommentatoren als Akt politischer Heuchelei kritisiert, da die PSOE selber mit den Folgen von Finanzskandalen zu kämpfen hat. In ihrer Hochburg Andalusien stehen wegen der Veruntreuung von dreistelligen Millionensummen an EU-Geldern für Arbeitslosenprogramme sogar zwei ehemalige Regionalpräsidenten vor Gericht.

Das politische Madrid wartet nun gebannt auf die Wahlen in Galicien und im Baskenland

Die zweite Frage betrifft die Unabhängigkeitsbestrebungen vor allem in der Industrie- und Touristikregion Katalonien. Die 24 Abgeordneten im Kongress, die die Regionalparteien aus dem Baskenland und Katalonien vertreten, verlangen, den Einwohnern der Region ein Referendum über ihre politische Zukunft zuzugestehen. Diese Forderung wird unter den großen Parteien nur von dem linksalternativen Bündnis Podemos unterstützt, während die PP Rajoys, die PSOE und die Ciudadanos sie geschlossen ablehnen. Wegen dieser Frage ist bislang auch keine Linkskoalition aus Sozialisten und Podemos zustande gekommen, die zusammen mit den Regionalisten eine Mehrheit von zehn Stimmen im Parlament hätte.

Das politische Madrid wartet nun auf die Regionalwahlen in Galicien und im Baskenland. Nach den Umfragen kann die PP in der Heimatregion Rajoys in der Nordwestecke des Landes ihre absolute Mehrheit verteidigen. Im Baskenland muss die Baskische Nationalistische Partei (PNV), die gemäßigte Positionen vertritt und im Gegensatz zu linken Gruppierungen keineswegs die staatliche Unabhängigkeit fordert, um ihre Mehrheit fürchten. Doch könnte die regionale PP der PNV dazu verhelfen, weiter die Regierung zu stellen. Als Gegenleistung würden die fünf PNV-Abgeordneten in Madrid für Rajoy votieren. Diesem würde dann nur noch eine Stimme zur absoluten Mehrheit fehlen. Die PSOE aber muss Umfragen zufolge in beiden Regionen mit spürbaren Verlusten rechnen.

Auch bei vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember dürfte die PSOE wenig zu gewinnen haben. Hingegen könnte der Aufwärtstrend für die PP anhalten, so dass Rajoy gemeinsam mit den Ciudadanos doch noch seine Mehrheit bekäme. In Madrid wird nicht ausgeschlossen, dass Sánchez nach den Regionalwahlen doch noch seine Blockadehaltung aufgibt und sich mit der Rolle des Oppositionsführers zufrieden gibt.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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