Spanien:Magister-Affäre trifft Rajoy

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Verliert immer mehr an Rückhalt: Spaniens Premier Rajoy. (Foto: Eitan Abramovich/AFP)

Die wichtigste Vertraute des Regierungschefs soll bei ihrem Uni-Abschluss betrogen haben. Für den Premier wird die Lage jetzt noch schwieriger.

Von Thomas Urban, Madrid

Der Fall des abgesetzten katalanischen Premiers Carles Puigdemont sorgt zwar nach wie vor für Aufregung im politischen Madrid, doch von den Titelseiten hat ihn in den vergangenen Tagen Cristina Cifuentes verdrängt. Sie ist bislang wichtige Stütze von Premierminister Mariano Rajoy in der konservativen Volkspartei (PP). Der Regierungschefin der Region Madrid wird vorgeworfen, vor sechs Jahren ihren Magistertitel in Jura durch Betrug erschlichen zu haben. Die Affäre trifft Rajoy in einem äußerst ungünstigen Moment, denn wegen des unerbittlichen Vorgehens der spanischen Führung in der Katalonien-Krise hat sein Minderheitskabinett bisher keine Mehrheit im Parlament für seinen Haushaltsentwurf bekommen.

Hinzu kommen zum großen Verdruss der PP-Führung die Korruptionsprozesse gegen Regionalpolitiker der Partei, die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge insgesamt eine dreistellige Millionensumme veruntreut haben sollen. Die seit 2011 regierende PP ist in den Umfragen stark abgesackt, 2016 hatte sie bei den Wahlen 33 Prozent erhalten, derzeit liegt sie bei 22 Prozent. Fast fünf Punkte vor ihr liegt die liberale Bürgerpartei (Ciudadanos), die nun den Rücktritt Cifuentes' fordert. Diese hatte bislang auch in der Region Madrid ein Minderheitskabinett geführt, konnte sich dabei aber auf die Ciudadanos stützen.

Auch im nationalen Parlament standen die Liberalen bislang hinter Regierungschef Rajoy. Doch dieser musste außerdem stets um Stimmen bei den Regionalparteien werben. Vor allem dank der Unterstützung der Baskischen Nationalistischen Partei (PNV), die auf diese Weise Zugeständnisse für ihre Region aushandelte, brachte Rajoy in den letzten beiden Jahren den Staatshaushalt durch. Doch wegen der Eskalation der Katalonien-Krise hat er die Unterstützung der konservativen PNV verloren; der baskische Premier Iñigo Urkullu hatte vergeblich Verhandlungen zwischen Madrid und Barcelona gefordert und sich selbst als Vermittler angeboten.

Auch die oppositionellen Sozialisten (PSOE) zeigen wenig Neigung, der Regierung beim Haushalt beizuspringen, obwohl sie wegen schlechter Umfragewerte ebenfalls Neuwahlen fürchten müssten. PSOE-Generalsekretär Pedro Sánchez fühlt sich Presseberichten zufolge von Rajoy getäuscht. Die PSOE hatte der Absetzung der katalanischen Führung zugestimmt, aber im Gegenzug ebenfalls Verhandlungen zwischen Madrid und Barcelona verlangt. Stattdessen hat die spanische Justiz, deren Spitzen von der PP eingesetzt wurden, fast die gesamte bisherige Führung Kataloniens inhaftiert und Haftbefehle gegen katalanische Aktivisten im Ausland ausgestellt.

Die Ciudadanos und die Sozialisten, die sonst nicht an einem Strang ziehen, machen nun in der Causa Cifuentes gemeinsam Front gegen Rajoy. Sie können sich dabei auch des heimlichen Beifalls vom nationalkatholischen Flügel der PP sicher sein. Cifuentes trat offen für die Homo-Ehe ein und bezeichnete sich selbst als Agnostikerin. Sie gehört der Frauenriege um Rajoy an, mit deren Hilfe er die PP modernisierte und ein Stück zur Mitte rückte. In ihrem Lebenslauf weist die Madrider Regionalpräsidentin zwar den Magistertitel der Madrider Juan-Carlos-Universität aus. Doch hat sie nach Informationen aus der Professorenschaft nie die obligatorischen Lehrveranstaltungen besucht und sich keiner mündlichen Prüfung gestellt. Auch sind ihre Prüfungsunterlagen einschließlich der Magisterarbeit nicht auffindbar. Vor allem sind auf der Magisterurkunde zwei der drei Unterschriften von Prüfern gefälscht, wie eine Expertise ergab.

Zunächst hatte das Rektorat der Universität die Presseberichte zurückgewiesen: Die Prüfungsordnung sei in allen Punkten erfüllt gewesen, alle Teilexamina im Fach Verwaltungsrecht habe Cifuentes bestanden. Dass diese Version offenkundig nicht den Tatsachen entsprach und nur die konservative Spitzenpolitikerin entlasten sollte, wurde rasch offenbar, nachdem sich die spanische Rektorenkonferenz in den Fall eingeschaltet hatte. In einer knappen Erklärung war von "offenkundigen schweren Unregelmäßigkeiten" die Rede. Die Staatsanwaltschaft hat die Untersuchung übernommen, die Tage der Regionalpräsidentin Cifuentes gelten als gezählt. Wie sich nun herausstellte, ist sie offenbar keineswegs die Einzige aus den Reihen der PP, die einen dubios erworbenen Magistertitel in Jura führt.

© SZ vom 13.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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