Spanien:Kräftemessen bis zuletzt

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Französische Aktivisten bieten dem katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont im Fall einer Eskalation des Konflikts Exil an. (Foto: Josep Lago/AFP)

Kataloniens Regierungschef will gegen eine Entmachtung klagen.

Von Thomas Urban, Barcelona

Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont will gegen die bevorstehende Entmachtung seines Kabinetts klagen. Dies kündigte am Dienstag ein Sprecher der Regionalregierung in Barcelona an. Eingereicht werden soll die Klage beim Verfassungsgericht in Madrid. Allerdings hatte dieses in den vergangenen beiden Jahren in einer Reihe von Entscheidungen den Kurs Puigdemonts, der auf eine Abspaltung der Region Katalonien vom Königreich Spanien abzielt, für verfassungswidrig erklärt. Somit dürfte eine Klage keinen Erfolg haben, falls das Gericht sie überhaupt annimmt.

Unterdessen verstärkte sich der Druck auf Puigdemont, durch die Ausschreibung von Neuwahlen die spanische Staatskrise zu entschärfen. Sowohl der katalanische Unternehmerverband, als auch die Sozialistische Partei (PSOE), die in Madrid die größte oppositionelle Fraktion stellt, und die linksalternative Oberbürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, forderten ihn dazu auf. In Madrid erklärte Justizminister Rafael Catalá, vorgezogene Regionalwahlen in Katalonien wären allerdings nur eine der Bedingungen dafür, dass die spanische Zentralregierung auf die angekündigte Absetzung des Kabinetts Puigdemont verzichten könnte. Dieser müsste sich auch eindeutig von seinem bisherigen Kurs distanzieren.

Puigdemont hat in den vergangenen drei Wochen auf Zeit gespielt. Eigentlich hatte ihn das Parlament in Barcelona verpflichtet, spätestens zwei Tage nach der Auszählung des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober die Unabhängigkeit auszurufen. Doch hat Puigdemont nur deren Ausrufung angekündigt. Der spanische Premierminister Mariano Rajoy kündigte am Samstag an, angesichts des verfassungswidrigen Kurses der Führung in Barcelona werde die Zentralregierung gemäß Artikel 155 der Verfassung die autonomen Rechte der Region aussetzen.

Allerdings kündigte das Oberste Gericht in Madrid nun an, dass es, unabhängig von den weiteren Entwicklungen, gegen Puigdemont ein Verfahren wegen "Rebellion" eröffnen werde. Daraufhin hat Robert Casanovas, der Präsident des Komitees für die Selbstbestimmung Nordkataloniens, Puigdemont politisches Exil angeboten. Nordkatalonien gehört zu Frankreich, das Zentrum der dort lebenden katalanischen Bevölkerung ist die Stadt Perpignan.

Für Donnerstag ist die nächste Sitzung des Parlaments zu Barcelona angesetzt. Auf der Tagesordnung steht allgemein eine "Aussprache über Artikel 155". Kommentatoren der Medien in Barcelona schließen nicht aus, dass die kämpferische Senatspräsidentin Carme Forcadell die Sitzung einberufen hat, damit Puigdemont die Unabhängigkeit erklärt.

Aufruf zum "zivilem Ungehorsam" gegenüber spanischen Behörden

Die neomarxistische Kandidatur für die Volkseinheit (CUP), von deren Stimmen das Minderheitskabinett in Barcelona abhängig ist, fordert dies von Puigdemont, andernfalls würde sie ihn stürzen. Die CUP hat die Bevölkerung der Region zu "zivilem Ungehorsam" gegenüber den spanischen Behörden aufgefordert. Puigdemont wurde vom Senat, dem Oberhaus des Parlaments in Madrid, eingeladen, sich am Freitag einer Debatte über seine Politik zu stellen. Der Senat hat dem Antrag der Zentralregierung unter Rajoy zuzustimmen, aufgrund von Artikel 155 "die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen". Sollte der katalanische Regierungschef nicht von seiner Position abrücken, dürfte der Senat unverzüglich seine Absetzung genehmigen. Die von Rajoy geführte konservative Volkspartei (PP) verfügt im Senat über die absolute Mehrheit.

Puigdemont ließ bislang allerdings nicht die Einsicht erkennen, dass mit einer Unterstützung von weniger als der Hälfte der Wähler das Ziel der Unabhängigkeit kaum noch zu erreichen ist. Die Parteien, die kompromisslos für die Sezession von Madrid eintreten, haben bei den Regionalwahlen 2015 zusammen nur knapp 48 Prozent der Stimmen erhalten. Entsprechend blieb die von Puigdemont und seinen Gefolgsleuten erhoffte Unterstützung aus anderen Staaten der Europäischen Union völlig aus.

© SZ vom 25.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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