Spanien:Katalanisches Gerangel

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Einsam unter Zitrusfrüchten: Artur Mas in Barcelona. (Foto: Toni Albir/dpa)

In Barcelona und Madrid scheitert beharrlich die Regierungsbildung. Grund für den Stillstand ist der jüngste Trend zur Zersplitterung der Parteienlandschaft.

Von Sebastian Schoepp, München

In Spanien wird zurzeit nicht viel regiert. Nicht nur in Madrid stocken die Koalitionsverhandlungen, auch die autonome Region Katalonien ist drei Monate nach den Regionalwahlen noch ohne Regierung. Als Kandidat bereit steht Artur Mas, der nicht nur wieder Präsident der regionalen Generalitat de Catalunya werden möchte, sondern am liebsten auch der erste Präsident eines unabhängigen Katalonien. Derzeit sieht es aber stark danach aus, als würde er schon an dem kleineren Ziel scheitern. Um eine Mehrheit im Regionalparlament zu bekommen, braucht der Konservative die Stimmen einer weit links stehenden Splitterpartei, der Candidatura d'Unitat Popular, kurz CUP. Die konnte sich aber am Sonntag nicht darauf einigen, Mas zu unterstützen. Wenn der nächste Versuch am 2. Januar wieder scheitert, dürfte das das Ende der Ambitionen von Mas sein - und Katalonien müsste neu wählen.

Das katalanische Gerangel trägt schicksalhaften Charakter für ganz Spanien, denn die Frage nach dem Umgang mit den Separatisten ist derzeit auch das entscheidende Hindernis für die Bildung einer Linksregierung in Madrid.

Der Trend zur Zersplitterung der Parteienlandschaft bei den Regionalwahlen im September und der nationalen Wahl am 20. Dezember hat dazu geführt, dass in Spanien das Regieren schwierig geworden ist. Sowohl in Madrid wie auch in Barcelona wird um Mehrheiten gerungen. Das Wort von der Unregierbarkeit macht in den Medien die Runde, eine auch für die europäischen Partner wenig beruhigende Situation angesichts der Dauerkrise in der viertgrößten Volkswirtschaft der EU.

Für die linke katalanische Kleinpartei CUP ist der Kapitalismus an allem schuld. Sie ist nicht nur separatistisch, sondern auch radikal systemkritisch und deshalb ziemlich zerstritten in der Frage, ob sie den Konservativen Artur Mas beim wiederholten Versuch, Regierungschef in Barcelona zu werden, unterstützen will. Am Sonntag kamen immerhin 3030 Anhänger und Mitglieder der CUP in Sabadell bei Barcelona zusammen, um darüber abzustimmen. Das Ergebnis war ausgewogen: 1515 Ja-Stimmen, 1515 Nein-Stimmen. Antrag damit erst mal abgelehnt. Eigentlich ist der 59-jährige Mas ein konservativ-liberaler Mainstream-Politiker aus Kataloniens arriviertem Bürgertum. Dann allerdings kam er auf den kuriosen Gedanken, seine CDC-Partei, eine Art katalanisches Pendant zur bayerischen CSU, mit dem ideologischen Gegner politisch zu verheiraten: Er bildete ein Wahlbündnis mit den Linksrepublikanern, das den Namen Junts pel Sí, "Gemeinsam für das Ja", trägt - womit ein "Sí" zur Unabhängigkeit gemeint ist. Doch das Bündnis erreichte nicht die absolute Mehrheit, es ist auf die CUP angewiesen. Wie dieses Gespann mit seiner weltanschaulichen Unwucht Spaniens wohlhabendste Region verwalten sollte, ist vielen schleierhaft; Mas will es trotzdem versuchen, denn wie viele Separatisten ist er der Ansicht, dass sich alle Probleme Kataloniens von alleine lösen, wenn erst die Unabhängigkeit da ist.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hat Mas' Pläne stets erbittert bekämpft, doch Rajoy droht Machtverlust, denn in Madrid will niemand mit ihm koalieren. Am Montag erteilten ihm nach PSOE und Podemos auch die liberalen Ciudadanos eine Absage. Aber auch Pedro Sánchez, Chef der zweitplatzierten Sozialisten, steht vor Problemen bei dem Versuch, die von ihm angestrebte Linksregierung mit Podemos zu schmieden. Das Haupthindernis ist - Katalonien. Podemos-Chef Pablo Iglesias ist der Ansicht, man könne die Katalanen durchaus über ihren Wunsch nach Unabhängigkeit abstimmen lassen, auch wenn er der spanischen Einheit den Vorzug gibt. Sánchez ist gegen ein Referendum. Einigen sie sich nicht, muss womöglich auch die nationale Wahl wiederholt werden. 2016 würde in Spanien ein neues Superwahljahr.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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