Spanien:Kandidatur aus der Zelle

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Kataloniens Parlaments­mehrheit hält weiter zu Puigdemont - den Spaniens Justiz nun auch noch der Korruption beschuldigt.

Von Thomas Urban, Madrid

Mit gelben Schleifen erinnern katalanische Parlamentarier an ihre Kollegen, die in sich in Haft befinden. (Foto: Emilio Morenatti/AP)

Mit ihrer knappen Mehrheit haben die drei separatistischen Gruppierungen im katalanischen Parlament zu Barcelona am Mittwoch in einer Resolution den Anspruch des abgesetzten Regionalpräsidenten Carles Puigdemont unterstützt, in sein Amt zurückzukehren. Das spanische Verfassungsgericht hatte seine Kandidatur dafür als illegal bezeichnet, da ein Bewerber für das Amt bei der Wahl persönlich anwesend sein müsse. Puigdemont hatte sich nach seiner Entmachtung durch die Zentralregierung Ende Oktober nach Belgien abgesetzt und befindet sich seit Sonntag aufgrund eines Europäischen Haftbefehls im Gefängnis von Neumünster in Schleswig-Holstein.

In Edinburgh meldete sich die frühere katalanische Bildungsministerin Clara Ponsatí bei der Polizei. Die spanischen Behörden sehen sie als eine der "Rädelsführerinnen" unter den katalanischen Separatisten an und haben ebenfalls ihre Auslieferung beantragt. Die 61-Jährige ist Direktorin der renommierten Schule für Wirtschaft und Finanzen der Universität St. Andrews; in den schottischen Medien überwiegen klar die Stimmen, die sich gegen eine Auslieferung aussprechen.

Nach einem Bericht der links-liberalen Tageszeitung El País, die im Katalonien-Konflikt die harte Linie der konservativen Volkspartei (PP) unter Premierminister Mariano Rajoy unterstützt, hat der zuständige Untersuchungsrichter Pablo Llarena einen neuen Vorwurf gegen Puigdemont nachgeschoben: Korruption.

Die Anwälte des Politikers erklärten hingegen, dass dafür bislang jeglicher Beweis fehle. Llarena hatte zuvor für Aufsehen gesorgt, als er die Politik der Separatisten mit dem gescheiterten franquistischen Putsch von 1981 gleichsetzte, als Offiziere der Guardia Civil, der kasernierten Polizeitruppe, im Parlament in Madrid um sich schossen. Bislang hat Llarena allerdings kein Dokument vorgelegt, nach dem die katalanische Führung zu Gewaltaktionen aufgerufen hätte.

In den Madrider Medien sind viele Kommentatoren offensichtlich völlig überrascht, wie negativ das internationale Echo auf das Vorgehen der eng mit der PP verquickten spanischen Justiz ausfällt. Le Monde in Paris und die Times in London geben Rajoy die Hauptschuld an dem Konflikt, kritisieren aber gleichzeitig auch die Separatisten, deren Kurs unter der Bevölkerung nie eine Mehrheit gehabt habe. Die New York Times appellierte an die Bundesregierung, ihren Einfluss geltend zu machen, damit Rajoy endlich in einen Dialog mit den katalanischen Politikern eintritt.

In Barcelona sprachen sich Vertreter der linksalternativen Gruppierung CatComú, die mit der spanischen Partei Podemos eng kooperiert, für einen politisch nicht vorbelasteten Fachmann als neuen Regionalpräsidenten aus. Die Gruppierung hat ebenso wie die katalanischen Sozialisten nicht den Sezessionskurs unterstützt, doch haben beide Fraktionen ebenfalls Rajoy für die Eskalation verantwortlich gemacht. Die links-alternative Oberbürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, hat mehrere führende Separatisten, die sich in Untersuchungshaft in einem Gefängnis bei Madrid befinden, in der vergangenen Woche besucht und sie als "politische Gefangene" bezeichnet.

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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