Spanien:Kampagne aus dem Knast

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Wird wohl zu den großen Verlierern der Wahl zählen: der abgesetzte Regionalpräsident Carles Puigdemont (Mitte). (Foto: Olivier Matthys/AP)

In Katalonien hat der Wahlkampf begonnen. Mitten herein platzt die Nachricht, dass der Generalstaatsanwalt gestorben ist. Er hatte maßgeblich dafür gesorgt, führende Separatistenpolitiker in Untersuchungshaft zu bringen.

Von Thomas Urban, Madrid

Überschattet vom unerwarteten Tod des Generalstaatsanwalts von Katalonien hat am Montag die Kampagne für die vorgezogenen Wahlen in der Region begonnen. Die Meinungsumfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Verfechter der katalanischen Unabhängigkeit und der Verteidiger der spanischen Einheit voraus. Die Befürworter der Abspaltung der wirtschaftsstarken Region vom Königreich Spanien haben mehrere ehemalige Regionalminister und Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung, die sich derzeit in Untersuchungshaft befinden, als Kandidaten aufgestellt.

Der von Madrid eingesetzte katalanische Generalstaatsanwalt José María Romero de Tejada ist nach Mitteilung seiner Behörde einer Lungenentzündung erlegen. Erst neun Tage zuvor war der spanische Generalstaatsanwalt José Manuel Maza an akutem Nierenversagen gestorben. Beide Juristen galten als Gefolgsleute der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy; beide haben die Inhaftierung katalanischer Politiker vorangetrieben, die für die Sezession Kataloniens eintreten.

Puigdemonts Partei muss mit starken Einbußen rechnen

Kritisiert wird der harte Kurs Madrids aus den Reihen der oppositionellen Sozialisten. Die linksalternative Gruppierung Podemos fordert gar die "sofortige Befreiung der politischen Gefangenen". Die linksalternative Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, hat am Wochenende ein Spruchband mit der Parole "Freiheit für die politischen Gefangenen" von der Fassade des Rathauses entfernen lassen. Sie beugte sich damit dem Druck der von Madrid eingesetzten Wahlkommission, die das Spruchband als "Verstoß gegen das Neutralitätsgebot für öffentliche Institutionen" bezeichnete.

Umfragen zufolge werden die Katalanischen Linksrepublikaner (ERC) die vorgezogenen Wahlen am 21. Dezember klar gewinnen, aber weit von einer absoluten Mehrheit entfernt bleiben; ihr Spitzenkandidat Oriol Junqueras ist in der Nähe von Madrid inhaftiert. Die großen Verlierer werden demnach die konservative Volkspartei (PP) Rajoys sowie der neue Wahlblock "Gemeinsam für Katalonien" (JxC) des abgesetzten Regionalpräsidenten Carles Puigdemont sein. Beide Listen können mit jeweils nur wenig mehr als zehn Prozent der Stimmen rechnen. Puigdemont hält sich seit vier Wochen in Belgien auf.

90 JxC-Kandidaten reisten in einem Charterflugzeug nach Brüssel, um gemeinsam mit ihm die Wahlkampagne zu eröffnen. Scharfe Kritik übte Puigdemont an der Europäischen Union, diese wolle nicht einsehen, dass Madrid die Katalanen unterdrücke. Puigdemont hatte die Sezession von Spanien vorangetrieben, obwohl deren Befürworter bei den letzten Regionalwahlen 2015 lediglich 48 Prozent der Stimmen bekamen.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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