Spanien:Gluckern im Sumpf

Lesezeit: 2 min

Die bisherige spanische Regierungspartei ist von einer neuen Korruptions-Affäre belastet. Für ihren Chef Mariano Rajoy schwinden so die Hoffnungen, doch noch im Amt des Ministerpräsidenten bestätigt zu werden.

Von THOMAS URBAN, Madrid

Sechs Wochen nach den Parlamentswahlen in Spanien hat sich auch am Montag noch kein Durchbruch bei den Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition abgezeichnet. König Felipe VI. setzte seine Konsultation mit den Vorsitzenden der Fraktionen im neuen Parlament fort, um einen Ausweg aus dem Patt zwischen den Lagern zu beraten. Der amtierende konservative Regierungschef Mariano Rajoy und der sozialistische Oppositionsführer Pedro Sánchez inszenierten in den letzten Tagen ein für Madrid gänzlich neues politisches Spiel: Ihre Leute forderten den König auf, den jeweils anderen mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Die Kalkulation: Nach derzeitigem Stand kann keiner von beiden eine Mehrheit im Parlament hinter sich bringen, wer den Auftrag zur Regierungsbildung annimmt und damit scheitert, wäre politisch verbrannt.

Bereits vor zehn Tagen hatte Rajoy als Chef der konservativen Volkspartei (PP), die mit 123 der 350 Abgeordneten die größte Fraktion stellt, den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgewiesen. Die Vorsitzenden aller anderen Fraktionen hatten einmütig erklärt, mit Rajoy nicht zusammengehen zu wollen. Ihm wird von Kritikern vorgeworfen, von den Korruptionsaffären führender PP-Politiker nicht nur gewusst, sondern sogar Teil eines Begünstigungssystems gewesen zu sein. Die Lage Rajoys hat sich weiter verschlechtert, weil die Staatsanwaltschaft 24 Regionalpolitiker und Geschäftsleute wegen einer Schmiergeldaffäre inhaftieren ließ.

Die meisten müssen mit Anklagen rechnen. Besonders betroffen ist die PP in Valencia, die schon in zahlreiche andere Affären verstrickt ist. Die Ermittlungen erstrecken sich auch auf die frühere Bürgermeisterin der Stadt, Rita Barberá, der vorgeworfen wird, öffentliche Gelde für private Zwecke verwendet zu haben. Trotz ihres Rufes war es ihr nach ihrer Abwahl bei den Kommunalwahlen im Mai gelungen, sich für die PP für den Senat aufstellen zu lassen. Dort genießt sie parlamentarische Immunität. Nun dürfte die neueste Affäre um Rita Barberá und den Korruptionssumpf von Valencia die Hoffnungen Rajoys endgültig durchkreuzen, im Amt zu bleiben. Rajoy hatte die seit drei Jahren geführte Debatte über die Korruption in der spanischen Politik völlig unterschätzt, obwohl ihr zwei neue Parteien ihren Aufstieg zu verdanken haben: die linksalternative Gruppierung Podemos und die liberalen Ciudadanos. Rajoy hatte offensichtlich damit gerechnet, dass die Erholung der Wirtschaft ausreichen würde, um von den Wählern im Amt bestätigt zu werden.

Die kapitalismuskritische Bewegung Podemos fordert forsch Ministerposten

Zusätzlich hatte Rajoy den Dauerkonflikt mit der nach Unabhängigkeit strebenden Führung der Region Katalonien angeheizt, wohl mit der Kalkulation, dass er damit den Beifall bei der Mehrheit seiner Landsleute finden würde. In der Tat reagiert eine Mehrheit der Spanier allergisch auf die Politik Barcelonas. Doch ist während Rajoys vierjähriger Regierungszeit Katalonien immer mehr der Kontrolle Madrids entglitten, weil er den Dialog mit der Führung in Barcelona verweigert hat.

Für die Sezessionsbestrebungen Kataloniens hat allerdings auch Oppositionsführer Sánchez keine mehrheitsfähige Position gefunden. Die von ihm geführte Sozialistische Partei (PSOE) möchte auf keinen Fall ein Referendum über die politische Zukunft der Industrie- und Tourismusregion zulassen, Podemos aber möchte dies als "demokratisches Grundrecht" durchsetzen. Podemos ist mittlerweile für viele PSOE-Granden ein rotes Tuch. Ihr Chef Pablo Iglesias forderte in einer möglichen Linkskoalition mit Sánchez sehr selbstbewusst für sich den Posten des Vizepremiers und obendrein für seine Partei die Ministerien für Inneres, Verteidigung und Wirtschaft.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: