Spanien:Der Spalter fällt durch

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Artur Mas will die Unabhängigkeit Kataloniens erzwingen, bringt es aber nicht mal zum Regierungschef.

Von Thomas Urban, Madrid

Der katalanische Regionalpräsident Artur Mas ist am Donnerstag zum zweiten Mal im Parlament in Barcelona mit dem Versuch gescheitert, im Amt bestätigt zu werden. Für ihn stimmten lediglich die 62 Abgeordneten des Wahlbündnisses "Gemeinsam für Ja" (JxS), die die Loslösung der Region von Spanien anstreben. Die 73 Abgeordneten der anderen Parteien stimmten geschlossen gegen ihn. Das Ergebnis des Wahlganges bedeutet einen weiteren Rückschlag für die Befürworter der Sezession von Madrid. Erst am Vortag hatte das spanische Verfassungsgericht eine Resolution des Regionalparlaments über den Weg zur Unabhängigkeit für illegal erklärt. In Madrid bekräftigte der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy, dass die Zentralregierung alle politischen und juristischen Hebel in Bewegung setzen werde, um der "verfassungswidrigen Politik" der Abspalter in Barcelona Einhalt zu gebieten.

Mit dem zweiten Scheitern von Artur Mas, Vorsitzender der Partei CDC, dürfte nach der Auffassung zahlreicher Kommentatoren sowohl in Barcelona, als auch in Madrid sein politisches Schicksal besiegelt sein. Denn er wird von der links-alternativen Partei CUP abgelehnt, die ansonsten mit den anderen Befürwortern der staatlichen Unabhängigkeit Kataloniens an einem Strang zieht. So haben am Montag die zehn CUP-Abgeordneten gemeinsam mit JxS, einem Bündnis der von Mas geführten liberalkonservativen CDC und den Linksrepublikanern (Erc), die Resolution über die Einleitung des Prozesses zur Unabhängigkeit durchs Parlament gebracht. Diese drei Parteien verfügen zusammen über 73 der 135 Sitze im Regionalparlament. Bei den Regionalwahlen am 27. September hatten sie allerdings nur 48 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt.

In Madrid gilt er als Staatsfeind Nummer eins

Mas hat als Chef der Regionalregierung in ähnlicher Weise wie Rajoy in Madrid ein Sparprogramm zur Sanierung der öffentlichen Finanzen durchgesetzt. Der CUP-Vorstand lehnt das allerdings energisch ab. Erst in diesen Tagen haben CUP-Vertreter bekräftigt, dass sie zwar den Unabhängigkeitskurs unterstützen, aber Mas keinesfalls akzeptieren können. Und Mas sieht sich zusätzlich durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen mehrere CDC-Spitzenleute unter Druck gesetzt. Ihnen wird vorgeworfen, bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen drei Prozent für eine schwarze Kasse der Partei verlangt zu haben.

Für die Madrider Medien von rechts bis links ist Mas mittlerweile eine Art Staatsfeind Nummer eins. Allerdings entspricht er in Wirklichkeit keineswegs dem Bild eines engstirnigen Nationalisten: Er vertritt gesellschaftspolitisch liberale und außenpolitisch proeuropäische Positionen. Er wirbt mit dem Argument, dass die wirtschaftsstarke Industrie- und Tourismusregion als unabhängiger Staat ein Nettoeinzahler in das EU-Budget wäre. Aber gerade auch wegen der Bedeutung Kataloniens für die spanische Volkswirtschaft lehnen in Madrid alle Parteien von links bis rechts den Sonderweg Barcelonas ab.

Besorgte Mienen in Madrid: Spaniens Premier Mariano Rajoy (rechts) berät mit König Felipe VI. über die katalanische Unabhängigkeitsresolution. (Foto: Francisco Gomez/dpa)

Spaniens Ministerpräsident pocht im Wahlkampf auf die Einheit des Landes

Das spanische Verfassungsgericht hat deshalb am Mittwoch die Klage Rajoys gegen die Unabhängigkeitsresolution Barcelonas zugelassen. Derzufolge soll auf die Verabschiedung einer katalanischen Verfassung und die Bildung eigener staatlicher Strukturen in spätestens zwei Jahren die Unabhängigkeitserklärung folgen. Rajoy verweist darauf, dass die Verfassung ihm gar keine andere Wahl lässt, als gegen Barcelona vorzugehen. Ganz offensichtlich ist ihm und der von ihm geführten konservativen Volkspartei (PP) daran gelegen, den Konflikt im derzeitigen Wahlkampf weiter zuzuspitzen.

Der Ministerpräsident stellt die Verteidigung der Einheit des Königreichs Spanien in den Mittelpunkt seiner Kampagne. Die jüngsten Umfragen geben ihm dabei Recht: Dümpelte die PP Anfang des Jahres bei 22 Prozent, so ist sie nun wieder bei knapp 30 Prozent angelangt - Tendenz steigend. In 14 der 17 spanischen Regionen lehnt die überwältigende Mehrheit eine Abspaltung Kataloniens ab. Nur im Baskenland und auf den Balearen stoßen die katalanischen Sezessionisten auf Sympathie.

Erwartungsgemäß hat das Verfassungsgericht in Madrid zwar am Mittwoch die Ausarbeitung einer "Verfassung der souveränen Republik Katalonien" verboten, wie es die umstrittene Resolution vorsieht. Doch haben führende Abgeordnete der regierenden CDC von Mas sowie der verbündeten ERC erklärt, dass alle Entscheidungen und Anweisungen aus Madrid in Zukunft ignoriert würden. Die Verfassung des Königreichs Spanien erlaubt allerdings in diesem Fall die Absetzung der Regionalregierung. Auch könnten gegen die Verfechter der Unabhängigkeit Kataloniens wegen Bruchs der Verfassung Strafverfahren eröffnet werden.

Dies würde auch der neuen Präsidentin des Regionalparlaments in Barcelona, Carmen Forcadell, drohen. Sie hatte nicht nur die Abstimmung über die umstrittene Resolution auf die Tagesordnung gesetzt, sondern schon zuvor aus Madrider Sicht für einen Eklat gesorgt, als sie ihre erste Rede im neuen Amt mit dem Ruf abschloss: "Es lebe die Republik Katalonien!"

Das Verfassungsgericht hatte vor genau einem Jahr auf Antrag Rajoys ein Referendum über die Unabhängigkeit in Katalonien verboten. Umfragen haben allerdings ergeben, dass die überwältigende Mehrheit der 7,5 Millionen Einwohner zähenden Region sehr wohl das Recht reklamiert, über die eigene Zukunft entscheiden zu können. Die Verfechter der Unabhängigkeit hätten da aber nur eine knappe Mehrheit zu erwarten.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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