Spanien:Alles auf Anfang

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Spaniens König Felipe VI. unterzeichnet das Dekret zur Auflösung des Parlaments. (Foto: Reuters)

König Felipe hat für Juni Neuwahlen angesetzt. Nach monatelanger Sprachlosigkeit zwischen Premier und Oppositionschef hofft das Land endlich auf klare Mehrheiten.

Von Thomas Urban, Madrid

Der spanische König Felipe VI. hat am Dienstag die Cortes, das Parlament in Madrid, aufgelöst und Neuwahlen für den 26. Juni angesetzt. Die Abstimmung im Dezember hatte das Ende des traditionellen Zwei-Parteien-Systems aus konservativer Volkspartei (PP) und Sozialisten (PSOE) besiegelt. Denn die beiden großen Gruppierungen, die seit der Rückkehr Spaniens zur Demokratie vor vier Jahrzehnten abwechselnd die Regierung stellten, hatten Stimmen an zwei Aufsteiger verloren: die liberalen Ciudadanos und die linksalternative Gruppierung Podemos. Doch blieben alle Verhandlungen über eine mehrheitsfähige Koalition erfolglos.

Das Scheitern der Verhandlungen belegt, wie tief die Gräben sind, die sich durch die politische Elite Spaniens ziehen. Hinzu kommt, dass der noch amtierende konservative Premier Mariano Rajoy und Oppositionsführer Pedro Sánchez persönlich keine gemeinsame Sprache gefunden haben. Beide sind in den letzten Wochen aus den eigenen Reihen unter starken Druck geraten. Eine Gruppe jüngerer PP-Abgeordneter appellierte an Rajoy, nicht mehr als Spitzenkandidat anzutreten.

Zwar sehen Umfragen die PP nach wie vor mit Abstand an der Spitze, doch dürfte sie kaum über 30 Prozent kommen. Das Argument gegen Rajoy ist simpel: Alle anderen Fraktionen haben klargestellt, dass sie mit der PP über keinerlei Zusammenarbeit reden werden, solange es dort keinen Wechsel an der Spitze gebe. Rajoy wird angelastet, nichts oder zu wenig gegen die Korruptionsaffären von PP-Politikern unternommen zu haben. Auch verweigerte Rajoy den Dialog mit den Katalanen und stärkte somit die Verfechter der staatlichen Unabhängigkeit der Industrie- und Touristikregion am Mittelmeer. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, mit symbolischen Gesten und Reden, die die Eigenheiten der Katalanen würdigen, die Spannung abzubauen, ohne dass ein politischer Preis dafür gezahlt werden müsste.

Von der persönlichen Unverträglichkeit zwischen dem 61-jährigen Rajoy und dem 44-jährigen Sánchez abgesehen dürfte es keine unüberwindlichen Hürden für eine große Koalition zwischen PP und PSOE geben, meinen konservative wie auch linksliberal orientierte Kommentatoren. Rajoy hat die PP zur Mitte gerückt, die Franco-Nostalgiker und Nationalkatholiken in den eigenen Reihen isoliert, sich damit allerdings auch viele neue Feinde geschaffen.

Ähnliche Probleme haben die Sozialisten und Podemos. Sowohl Pedro Sánchez als auch Pablo Iglesias, der neomarxistische Theoretiker mit dem Pferdeschwanz, können sich der eigenen Gefolgschaft nicht völlig sicher sein. Sánchez wurden von den PSOE-Baronen, wie die Spanier die führenden Regionalpolitiker nennen, zwei rote Linien aufgezeigt: kein Kompromiss mit den Katalanen, keine neomarxistischen Experimente in der Wirtschaftspolitik. Die PSOE scheint kaum gewillt zu sein, derzeit die Regierung zu übernehmen. Denn auch bei den Sozialisten wird der unpopuläre Sanierungskurs, mit dem Rajoy das Land aus der Rezession geführt hat, grundsätzlich als nötig angesehen. Spaniens Haushaltsdefizit liegt immer noch bei mehr als fünf Prozent, schmerzhafte Strukturreformen vor allem in Bildung und Gesundheit stehen an, mit denen die Regierenden kaum bei den Wählern punkten können.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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