Serie "Deutscher Herbst":"Ich bin nicht bereit, lautlos aus diesem Leben abzutreten"

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RAF-Gefangener Hanns Martin Schleyer: "Was sich aber seit Tagen abspielt, ist Menschenquälerei ohne Sinn." (Foto: dpa)

Heute vor 40 Jahren: RAF-Geisel Hanns Martin Schleyer wendet sich auf Tonband an seinen Freund Helmut Kohl, die Entführer übermitteln ihr viertes Ultimatum.

Von Robert Probst

Tag 8: Montag, 12.September. Schleyer wendet sich an Kohl

Die Entführer übermitteln eine Woche nach dem Attentat auf Hanns Martin Schleyer ihr viertes Ultimatum. Es wird in einem Düsseldorfer Hotel hinterlegt. Man erwarte bis 24 Uhr eine Entscheidung der Bundesregierung zum Austausch der RAF-Häftlinge: "Falls die Bundesregierung auch dieses Ultimatum schweigend übergehen will, hat sie die Konsequenzen zu tragen," sagt ein Anrufer dem Sohn Hanns-Eberhard Schleyer.

Dazu wird ein Tonband geliefert, das Schleyer besprochen hat. In einem anderen Hotel wird ein weiteres Paket entdeckt. Auf Tonband wendet sich Schleyer an seinen Freund Helmut Kohl: "Ich habe nie um mein Leben gewinselt, immer die Entscheidungen der Bundesregierung (. . .) anerkannt. Was sich aber seit Tagen abspielt, ist Menschenquälerei ohne Sinn. (. . .) Ich bin nicht bereit, lautlos aus diesem Leben abzutreten." Es sei nun Aufgabe der Opposition, "die Verantwortlichkeiten klarzustellen und offen zu legen".

Auf Anweisung der Entführer attackiert Schleyer vor allem den "hochgejubelten" BKA-Präsidenten Horst Herold. Kohl lässt sich nicht von der Linie des Krisenstabes abbringen, allerdings fordern Präsidium und Vorstand der CSU, der Staat müsse in dieser Auseinandersetzung nun endlich wieder "aus der Verteidigung in die Offensive" übergehen. Für manche Entwicklung, die gegen den Willen der Opposition durchgesetzt wurde, müsse die sozialliberale Koalition allein die Verantwortung übernehmen. Die FDP nennt die Haltung der CSU "erbärmlich".

Unter der Überschrift "Laßt meinen Mann leben. Tauscht ihn aus!" richtet Waltrude Schleyer in der Bild-Zeitung einen weiteren Appell an die Bundesregierung: "Jetzt verlangt meiner Überzeugung nach das Schicksal der unmittelbar Betroffenen und die Selbstachtung unseres Staates eine klare Entscheidung der Verantwortlichen zu den gestellten Forderungen."

Am Abend teilt das BKA über Anwalt Payot den Entführern mit, dass es "Vorbereitungen" für den Austausch einleiten werde. Dazu sollen die Gefangenen einzeln befragt werden, in welches Land sie ausgeflogen werden wollen. Die Entführer hatten keine Ziele genannt, sondern selbst auf die Wünsche der Häftlinge verwiesen. Das Ultimatum verstreicht.

Die Serie erschien in einer ersten Version 2007 - und wurde für die Neuveröffentlichung leicht überarbeitet und erweitert. Die Rechtschreibung in Zitaten entspricht der Schreibweise der damaligen Zeit.

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