Serbiens Präsident Tomislav Nikolic:Milosevics Erben übernehmen die Macht

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Er leugnete den Völkermord in Srebrenica und lehnt eine Anerkennung des Kosovo strikt ab: Der neue serbische Präsident Tomislav Nikolic gibt sich europafreundlich, in den Nachbarstaaten weckt er jedoch Ängste. Denn Nikolic schart reihenweise Nationalisten um sich, die tief in der Ära Milosevic verwurzelt sind.

Enver Robelli

Kaum im Amt, hat der neue serbische Präsident in den Nachbarstaaten Ängste geweckt und Wunden aufgerissen - nun schart er zudem alte Weggefährten aus der Milosevic-Zeit um sich. Der neue Präsident Tomislav Nikolic leugnete den Völkermord in Srebrenica, bezeichnete die von serbischen Truppen zerstörte kroatische Stadt Vukovar als "serbische Stadt" und schloss eine Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos aus, selbst wenn dies bedeuten solle, dass sein Land auf eine EU-Mitgliedschaft verzichten müsse.

An diesem Donnerstag wird Tomislav Nikolic in Brüssel erwartet. Dort haben seine provozierenden Äußerungen einigen Unmut ausgelöst. (Foto: REUTERS)

Die Reaktionen aus der Region ließen nicht lange auf sich warten: Fast alle Präsidenten der Nachbarstaaten boykottierten diese Woche die feierliche Amtseinführung Nikolic', die er mit Volksmusik und selbstgebranntem Schnaps beging. In seiner Rede sagte der frühere Ultranationalist, er werde die europäische Integration Serbiens unterstützen. An diesem Donnerstag wird Nikolic in Brüssel erwartet. Dort haben seine provozierenden Äußerungen einigen Unmut ausgelöst. "Das war ein Schritt in die falsche Richtung", warnte der dänische Europaminister und derzeitige EU-Ratspräsident Nicolai Wammen.

Die Berufung von umstrittenen Beratern zeigt für viele Beobachter in Belgrad, dass Nikolic sich weder mental noch ideologisch von der dunklen Vergangenheit seines Landes gelöst hat. Zum Rechtsberater ernannte der Staatschef den umstrittenen Juraprofessor Oliver Antic. In den neunziger Jahren gehörte der zu den übelsten Handlangern des Gewaltherrschers Slobodan Milosevic. Antic war damals Dekan der Rechtsfakultät der Uni Belgrad und entließ fast zwanzig Hochschullehrer, die als Kritiker des Regimes bekannt waren.

Eine führende Funktion im Präsidentenpalast hat Nebojsa Rodic übernommen: Er wird Nikolic als Generalsekretär dienen. Rodic war 1997 Sekretär der Zentralen Wahlkommission und wird von Vertretern der Bürgergesellschaft als einer der Hauptschuldigen für den größten Wahlbetrug in der jüngsten Geschichte Serbiens bezeichnet. Pressesprecherin von Nikolic ist Stanislava Pak, die in den neunziger Jahren als Journalistin beim Staatsfernsehen RTS arbeitete. Das Medienhaus war damals die wichtigste Propagandamaschine des Regimes. Unabhängige Journalisten haben Pak als Hetzerin in Erinnerung. Die neue RTS-Führung hat sich erst vor einem Jahr für die Propaganda, Verleumdungen und Hassreden während der Milosevic-Herrschaft entschuldigt. Neben Anhängern der Milosevic-Regierung hat Nikolic auch Verwandte in sein Kabinett aufgenommen.

In den serbischen Medien wird derzeit ausführlich über die lückenhafte Bildung und mangelnde Sprachkenntnisse des neuen Präsidenten berichtet und auch spekuliert. Nach seinem Amtsantritt hat Nikolic der bisherigen prowestlichen Regierung Serbiens vorgeworfen, mit Vertretern Kosovos Geheimverhandlungen in Brüssel geführt zu haben.

Die Antwort erfolgte prompt: Chefunterhändler Borislav Stefanovic erklärte, man habe nichts zu verheimlichen und rief den Staatschef auf, sich besser zu informieren. Erstmals richtete Stefanovic scharfe Kritik auch an die Anhänger Nikolics im serbisch dominierten Norden Kosovos. Das Gebiet befinde sich in den Händen von Leuten, die eine privilegierte Stellung in der organisierten Kriminalität genössen. "Einzelne bereichern sich, gleichzeitig haben sie drei, vier Wohnungen in Belgrad und Kraljevo und melden sich zum Bezug von Sozialhilfe an", sagte Stefanovic zu Radio Free Europe. Damit sprach der Belgrader Beamte ein offenes Geheimnis an. Die meisten serbischen Vertreter im Hinterland der zwischen Serben und Albanern geteilten Stadt Mitrovica gelten als kompromisslose Nationalisten und profitieren seit Jahren vom Schwarzhandel. Dabei kooperieren sie auch mit Kosovo-albanischen Unterweltkönigen.

Erst vor zwei Wochen lieferten sich serbische Gewalttäter Gefechte mit Nato-Truppen, die Straßensperren in der Region räumen wollten. Zwei deutsche Soldaten wurden durch gezielte Schüsse verletzt. Staatschef Nikolic hat die jüngste Gewalt seiner Landsleute bisher nicht verurteilt.

© SZ vom 14.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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