Schwerin:Linke wird Oberbürgermeisterin

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325 Stimmen haben Angelika Gramkow den Überraschungssieg gesichert. Schwerin wird damit als erste Landeshauptstadt Deutschlands von der Linken regiert.

A. Boecker

Am Samstag hat Angelika Gramkow ihren 50. Geburtstag gefeiert, am Sonntag erholte sie sich bei der Apfelernte im eigenen Garten. Zwischendurch ging sie wählen. Angelika Gramkow oder Gottfried Timm, die Linke oder der Sozialdemokrat - wer würde Schwerins neuer Oberbürgermeister werden? Im ersten Wahlgang hatten beide 38 Prozent erzielt.

Bezeichnet sich selbst als "lenkend-motivierende Führungsfrau": Linke-Politikerin Angelika Gramkow. (Foto: Foto: dpa)

Weil die CDU in der Stichwahl Timm unterstützte, schien der SPD-Mann den OB-Job sicher zu haben. Am Sonntag gegen 20 Uhr war die Sensation jedoch perfekt: Angelika Gramkow, Linkspartei, siegte mit 50,5 zu 49,5 Prozent. 325 Stimmen lag sie vor Gottfried Timm, SPD.

Schwerin ist nun die erste bundesdeutsche Landeshauptstadt, die von der Linkspartei regiert wird. "Ein historischer Erfolg!", jubelt Peter Ritter, Linken-Chef in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Karriere der Frau, die diesen Coup schaffte, ist geradlinig verlaufen - vor 1990 wie nach 1990. "Geboren in Grevesmühlen/Mecklenburg, Atheistin, verheiratet, zwei Kinder", beginnt ihr Lebenslauf. 1978 legt sie das Abitur ab und tritt in die SED ein. Das verteidigt Gramkow bis heute.

Sie will "auf keinen Fall ein Wendehals sein", der alles verteufelt, was vor der Vereinigung war. So gesehen, sind die DDR-Plüschfiguren "Pittiplatsch" und "Schnatterinchen", die in Gramkows Auto kleben, fast ein politisches Statement. 1986 schließt sie an der Leipziger Karl-Marx-Universität als Diplom-Ökonomin ab, lehrt danach Finanzwirtschaft in Schwerin. Dann fällt die Mauer.

Gramkow zieht für die PDS in den Landtag ein. Als SPD und PDS gemeinsam regieren, hält sie die Fraktion auf rot-rotem Kurs. Das kostet die Vorsitzende eine Menge Kraft und Nerven.

Ost-Linke wie Gramkow verstehen sich als Kümmerer. Als "klug, gerecht und lebensnah" wird sie von Gregor Gysi gelobt. Sie hat angekündigt, "die Graffiti-Unkultur" zu bekämpfen. Statt sich im Wahlkampf auf den Marktplatz zu stellen, hat Gramkow Schulen, Vereine und Betriebe besucht, zugehört und nachgehakt, viel gelobt und auch sanft getadelt.

Eine begeisternde Rednerin ist sie nicht. Es klingt nach Funktionärs-Deutsch, wenn sie sich eine "lenkend-motivierende Führungsfrau" nennt. Auch greift sie gern zu einer Portion Pathos, zum Beispiel, wenn sie über die "Beladenen" und die "Entrechteten" spricht.

Gramkows Wahl stellt den politischen Abschluss der Affäre Lea-Sophie dar. Die Fünfjährige war im November 2007 in der Obhut ihrer Eltern verhungert. In der Folge kam ans Licht, dass im Schweriner Jugendamt der eine nicht weiß, was der andere tut. Weil der christdemokratische Oberbürgermeister Norbert Claussen Lea-Sophies Tod heruntergespielt hatte, war er von den Bürgern im April abgewählt worden.

Seine Nachfolgerin muss versuchen, die Gräben zuzuschütten, die der Fall aufgerissen hat. Mecklenburg-Vorpommerns Hauptstadt ist außerdem schlimm verschuldet; hier ist nun die anerkannte Finanzfachfrau gefordert. Sie weiß, dass sie im Amt pragmatisch handeln muss. "Ich bin wirtschaftsfreundlich eingestellt", beteuert Gramkow, "die Unternehmen brauchen bestmögliche Rahmenbedingungen."

© SZ vom 30.09.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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