Schuldenkrise in Europa:Koalitionspolitiker wollen Griechenland loswerden

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Der Euro steckt in einer tiefen Krise, die Lage in Griechenland wird immer dramatischer. In Berlin wächst der Unmut über Athens Sparanstrengungen - nun legen erste prominente Politiker von Schwarz-Gelb Griechenland den Austritt aus der Euro-Zone nahe.

In der schwarz-gelben Koalition wächst der Unmut über die ausbleibenden Sparerfolge Griechenlands. Erste Stimmen werden laut, die zur Lösung der Wirtschafts- und Schuldenprobleme den Austritt des Landes aus der Euro-Zone fordern, so etwa der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms.

Die Flagge der Europäischen Union vor der Akropolis in Athen: In Berlin wächst der Unmut über Griechenland, nun stellen erste Politiker die Währungsunion in Frage. (Foto: dpa)

Solms zufolge entwickle sich Griechenland zu einem dauerhaften Unruheherd und sei nicht in der Lage, sein Schuldenproblem in absehbarer Zeit zu lösen, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Zur Lösung der Krise hält er deshalb radikale Schritte für erforderlich: Es sei zu überlegen, "ob der Weg über eine Umschuldung und einen Austritt aus dem Euro nicht für die Währungsunion und Griechenland selbst die besseren Perspektiven bietet", sagte er weiter.

Ähnlich äußerte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach. Griechenland werde sich dauerhaft nicht aus eigener Kraft finanzieren können, sagte Bosbach dem Tagesspiegel. Das Land müsse sich deshalb überlegen, ob es im Euro-Raum bleiben wolle. "Wenn Griechenland sich für den Verbleib entscheidet, kann das Land nicht erwarten, dauerhaft massiv unterstützt zu werden."

Zugleich führte Bosbach die mangelnden Sparerfolge Griechenlands auf eine verfehlte Politik der EU zurück. "Es ist doch klar, dass die griechische Wirtschaft nicht wachsen kann, wenn die EU von Athen verlangt, strikt zu sparen und zugleich die Steuern zu erhöhen. Das ist das genaue Gegenteil eines Konjunkturprogramms."

Ein solches Paket fordert nun die SPD. Generalsekretärin Andrea Nahles schlug ein umfassendes Aufbauprogramm für das südeuropäische Land vor. Dem "Tagesspiegel" sagte Nahles, Europa solle eine "koordinierte Struktur- und Investitionshilfe für Griechenland und andere südeuropäische Länder auf den Weg bringen, um das Wirtschaftswachstum dort anzukurbeln und die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen". Finanzieren ließe sich ein derartiges Programm unter anderem durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Das hoch verschuldete Griechenland ist auf internationale Rettungskredite angewiesen und erhält seit Mai vergangenen Jahres regelmäßig Tranchen aus einem 110 Milliarden Euro schweren Paket. Derzeit geht es darum, die Tranche für das vierte Quartal 2011 freizugeben.

Doch offenbar wegen Meinungsverschiedenheiten hatten Vertreter der sogenannten Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Prüfung der Sparmaßnahmen Griechenlands am Donnerstag ausgesetzt. Es habe unterschiedliche Auffassungen zu den Defizitzahlen Athens und darüber gegeben, wie mit dem Etatdefizit umgegangen werden soll, verlautete am Freitag aus EU-Kreisen in Brüssel.

Lindner: "Rückschlag für den Euro"

Deshalb wächst in der schwarz-gelben Koalition der Unmut über die fehlenden Sparerfolge Griechenlands. Politiker von Union und FDP forderten die Regierung in Athen auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen. "Wir bestehen darauf, dass die Verträge erfüllt werden", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner in der Bild am Sonntag. Die europäische Solidarität sei "ernsthaft gefährdet". Für Unvermögen oder Unwillen könnten die Steuerzahler in Nordeuropa und insbesondere in Deutschland nicht gerade stehen.

Lindner wertete den Abbruch der Gespräche als "Rückschlag für den Euro". CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sah darin ein "eindeutiges Signal" an die Adresse Griechenlands. "Wer Hilfe erwartet, muss sich selbst verlässlich zeigen", sagte sie dem Berliner Tagesspiegel. Es genüge nicht, Sparpläne und Reformen nur anzukündigen.

Ernüchtert reagierte auch die Opposition. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte in der ARD, künftige Auszahlungen sollten "nur bei einer ganz realistischen Betrachtung erfolgen dürfen. Und offenkundig waren die bisherigen Annahmen zu optimistisch."

In die Debatte um Wege aus der Euro-Krise hatte sich am Vortag auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeschaltet. Er forderte weitreichende Reformen der Europäischen Union (EU) als Lehre aus der Krise der Gemeinschaftswährung.

Rettungsschirm EFSF könnte für Deutschland deutlich teurer werden

Derweil wurde bekannt, dass die Bundesregierung für die Rettung der Währungsunion immer größere Risiken eingeht: Für den erweiterten europäischen Rettungsschirm EFSF könnte die Bundesregierung bei Bedarf viel mehr Garantien bereitstellen als die bisher bekannten 211 Milliarden Euro. Wie der Spiegel meldete, übernimmt sie bislang unbemerkt von der Öffentlichkeit einen Passus aus dem bisherigen Regelwerk, nach dem die bereitgestellten Garantien bei Bedarf um 20 Prozent aufgestockt werden können. Auf Deutschland kämen dann im Notfall Garantien von mehr als 250 Milliarden Euro zu.

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte dazu, es handele sich dabei um eine Regelung, die es seit Schaffung des "Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus" gebe und die nicht geändert werden solle. Danach könne der Gewährleistungsrahmen gemäß der Bundeshaushaltsordnung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses des Bundestages um bis zu 20 Prozent überschritten werden. Dies sei eine im Zusammenhang mit Gewährleistungsnormen übliche Regelung, sagte die Sprecherin.

IWF-Chefin Lagarde fordert deutsche Konjunkturprogramm

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hob die Bedeutung Deutschlands bei der Lösung der Euro-Krise hervor: Im Fall eines Wirtschaftseinbruchs forderte sie ein Konjunkturprogramm. "Wenn der Export, auf dem das deutsche Wirtschaftsmodell beruht, einbricht, dann könnte die Bundesregierung gegensteuern", sagte Lagarde dem Spiegel.

Spielraum für staatliche Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft ist aus ihrer Sicht vorhanden. Es sei auch positiv für die Nachbarn, wenn Deutschland die Binnennachfrage stütze, betonte die IWF-Präsidentin. Sie warnte, dass der IWF in den vergangenen Monaten eine neue Vertrauenskrise festgestellt habe, die die wirtschaftliche Lage weltweit verschlechtere. Lagarde plädierte daher dafür, "dass die Länder ihren Sparkurs anpassen und wachtumsfördernde Maßnahmen ins Auge fassen."

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