Saudi-Arabien:Yacht und Grundgesetz

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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier spricht zur Eröffnung des Janadriya- Festivals in der saudischen Hauptstadt Riad. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Ein saudisches Kulturfestival mit Deutschland als Gastland? Heikel. Steinmeier eröffnet seinen Pavillon trotzdem.

Von Stefan Braun, Riad

In Saudi-Arabien beginnt die Kultur beim Mercedes. Genauer gesagt: Bei Hunderten davon, schwarz, S-Klasse, neueste Ausgabe. Wer zur Eröffnung des Janadriyah-Festivals am Stadtrand von Riad gelangen möchte, muss ein Meer dieser Kolosse überwinden. So einen Parkplatz dürfte es nirgendwo sonst auf der Welt geben. Wüstenstaub, Betonpiste, Edelkarossen und dazu Hundertschaften saudischer Sicherheitskräfte, die bewaffnet sind, als stünden sie vor einem Antiterroreinsatz. Schon ein besonderer Start in ein Festival, das sich der Kultur widmet.

Nun muss man einräumen, dass nicht alle auf dieser Welt das gleiche meinen, wenn sie von Kultur sprechen. In Riad zeigt sich das nicht nur beim Auto. In einem riesigen Saal mit Hunderten Honoratioren wird zur Begrüßung kein Dichter gewürdigt, kein Musiker, Schauspieler, Maler. Die Lobpreisungen gelten dem Herrscher. Für König Salman wird aus dem Koran gelesen; zu seinen Ehren rezitieren Militärs, Beamte, Stammesvertreter arabische Poesie. Und zum Abschluss gibt es ein Kamelrennen, das hinter den mächtigen Fensterscheiben der großen Halle kräftig Staub aufwirbelt. So ist das hier seit Jahrzehnten in den Janadriyah-Tagen.

Allein Frank-Walter Steinmeier wirkt ein wenig verloren. Jedenfalls dann, wenn man ihn auf der meterhohen Leinwand mitten in der Wüste entdeckt, auf der die Veranstalter auch seine Begrüßungsworte übertragen. Von der Bedeutung des Dialogs zwischen Deutschen und Saudis spricht der deutsche Außenminister, und von der Notwendigkeit des Austauschs, nicht zuletzt der Kulturen. Daheim in Deutschland hat er für den Besuch dieses Festivals viel Kritik einstecken müssen. Nachdem Anfang des Jahres an einem einzigen Tag 47 Menschen hingerichtet wurden, wollten Politiker der Opposition wie der Koalition mit einer Absage ein politisches Zeichen setzen. Steinmeier warf ihnen vor, sie wollten billig innenpolitisch Punkte sammeln statt ernsthaft außenpolitisch um schwierige, dringend benötigte Partner zu ringen. In Riad könne Deutschland in vielfältiger Weise zeigen, "was eine selbstbewusste Zivilgesellschaft ist". Was, wenn es gelänge, tatsächlich ein Erfolg sein könnte.

Das Festival findet zum 30. Mal statt, erstmals ist Deutschland das Gastland. Das Ereignis lockt bis zu einer Million Besucher an. Das Auswärtige Amt wollte sich die Chance nicht entgehen lassen, auf diese Weise in das Land hinein zu wirken. Gerade jetzt, in Zeiten heftiger Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien - und mit Syrien-Friedensgesprächen, die fürs erste wie gescheitert wirken. Da gelte es erst recht, alle verfügbaren Gesprächskanäle zu nutzen, sagt der Außenminister. Herzstück dafür soll der deutsche Pavillon sein. Er liegt inmitten eines riesigen Geländes, das mit seinen zahllosen Hallen an ein arabisches Disneyland erinnert. Mit seiner mittelalterlichen Hausfassade sticht der deutsche Pavillon hervor, aus echtem Stein ist da allerdings nichts, auf den Mauern klebt Tapete.

Nach den Hinrichtungen wurde die Teilnahme am Festival zu einem Drahtseilakt - und zur Verpflichtung, den Saudis klug deutsche Werte zu präsentieren. Gelingen soll das unter anderem mit einer Info-Ecke über deutsche Wissenschaftlerinnen wie Lise Meitner. Mit einem Raum, der an deutsche Philosophen erinnert. Und mit einer Wand, an der die wichtigsten Artikel des Grundgesetzes gezeigt werden - auf Deutsch, aber auch in arabischer Übersetzung. Mit etwas Glück könnte das manchen Besucher tatsächlich erreichen.

Allerdings, und das zeigt sich schnell, wenn man den gut 2,5 Millionen Euro teuren Pavillon betritt: Im Innern erinnert er eher an eine Messehalle für deutsche Wertarbeit und Spitzentechnik. Beim Rundgang dominieren nicht die subtilen Botschaften, hier präsentiert sich die Wirtschaft: Airbus, VW, Allianz, dazu ein schwäbischer Luxus-Bäder-Produzent oder auch eine norddeutsche Schiffswerft, die edle Yachten baut. So dominant sind die appetitlichen Präsentationen, dass alle anderen Ziele des Pavillons wie Beiwerk wirken. Als der saudische Außenminister die Ausstellung besucht, kann man studieren, wo sein Interesse hinfällt. Mit den Yachtenbauern unterhält er sich am längsten.

Spätestens in diesem Moment dürfte Steinmeier ahnen, dass das Ganze vielleicht doch einen anderen Eindruck erweckt, als er sich das erhofft hat. Wenig später jedenfalls sagt er, er freue sich sehr, "dass wir hier nicht nur die deutsche Wirtschaft präsentieren". Wichtiger seien die Installationen und Gesprächsrunden, mit denen man demonstriere, wie Deutschland Demokratie organisiere, wie eine selbstbewusste Zivilgesellschaft aussehe und welche Rolle Frauen darin spielten. Hoffentlich, so Steinmeier, gelinge das ,,vor den Augen und Ohren vieler saudischer Zuschauer''. Zwei Wochen haben die Saudis nun Gelegenheit, deutsche Grundrechte und Wertarbeit zu studieren.

Steinmeier wird da längst wieder weg sein. Als er nach knapp anderthalb Stunden den Pavillon verlässt, erreicht ihn die Meldung, dass bei den Syrien-Verhandlungen in Genf alles still steht. Da sagt er, was er meistens sagt in solchen Momenten: Jetzt werde es noch wichtiger, mit allen in der Region zu reden.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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