Russland:Sprachlos in die Kälte

Der Fall Skripal legt ein größeres Zerwürfnis mit dem Westen offen.

Von Stefan Kornelius

Zwischen dem Westen und Russland geht es längst nicht mehr um Details des mutmaßlichen Anschlags mit einem Nerven-Kampfstoff, auch wenn die Umstände des Skripal-Falls jetzt hoffentlich von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen beurteilt werden. Ausweisung und Gegenausweisung von Dutzenden von Botschaftsangehörigen, die verbalen Scharmützel, nun die seltsame Klage des russischen Außenministers, der "jeden Anstand" verloren sieht: Hier ist ein erheblich größeres Zerwürfnis zu beobachten.

Im Skripal-Fall gibt es jede Menge Indizien und Motive für eine russische Urheberschaft. Die harsche und vor allem sehr geschlossene Reaktion der EU und der USA sind allein damit nicht zu erklären. Der Anschlag auf Skripal war der Augenblick, der jede politische Rücksichtnahme und womöglich auch jede Hoffnung auf eine Mäßigung Moskaus beendet hat. Die lange Serie von Interventionen und subversiven Manipulationen, von der Krim-Annexion bis zur womöglich entscheidenden Beeinflussung der US-Wahl, hat klargemacht: Hier geht es nicht um Plänkeleien nach einem Strickmuster aus dem Kalten Krieg. Hier geht es um einen ernst zu nehmenden Angriff auf das System.

Es ist gut möglich, dass Präsident Wladimir Putin das Ausmaß der Zerrüttung unterschätzt. Sein Sprecher stellt nun einen Besuch im Weißen Haus in Aussicht, quasi als Selbsteinladung. Das macht alles nur noch schlimmer und nährt das Misstrauen.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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