Russland:Mission Kuschelbär

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Hilft Wladimir Putin etwa Donald Trump? Der Hackerangriff gegen die Demokraten verschärft den Wahlkampf.

Von Nicolas Richter

Die Watergate-Affäre bestand im Kern darin, dass Anhänger von US-Präsident Richard Nixon dessen Gegner ausforschen wollten; also schickten sie Einbrecher in das Hauptquartier der Demokratischen Partei, um nachts in den Akten zu stöbern. In diesen Tagen spielt sich eine neue Version dieser Geschichte ab: Diesmal haben sich die Einbrecher in Computer gehackt statt Türen aufzubrechen. Und die Auftraggeber sollen diesmal nicht dem US-Präsidenten verpflichtet sein, sondern dem russischen. Das Ziel aber ist abermals die Demokratische Partei, die soeben Hillary Clinton für das Weiße Haus aufgestellt hat.

Die US-Regierung ist sich ziemlich sicher, wer den Hackerangriff veranlasst hat: "Wir wissen, dass sich die Russen in unsere Netzwerke hacken, nicht nur in die der Regierung, sondern auch in private", sagt Präsident Barack Obama. "Warum die gestohlenen Dokumente veröffentlicht wurden, weiß ich nicht genau. Ich weiß aber, dass Donald Trump immer wieder Bewunderung geäußert hat für Wladimir Putin." Auf die Frage, ob die Russen die US-Wahl manipulieren, sagt er: "Alles ist möglich." Der Präsident (und Demokrat) Obama also spekuliert darüber, dass der Kreml dabei ist, dem republikanischen Kandidaten Trump zu helfen. Das ist ein doppeltes Politikum: Außenpolitisch dürfte der Vorwurf die eisigen Beziehungen Washingtons zu Moskau weiter belasten. Und innenpolitisch erfasst der Verdacht bereits den Wahlkampf um das Weiße Haus. Den Demokraten passt die Geschichte jedenfalls ins Konzept: Sollte der republikanische Kandidat Trump tatsächlich Hilfe aus Moskau erhalten haben, wäre das ein Skandal und ließe sich bestens ausschlachten. Obama und seine Parteifreunde haben bisher keine Beweise vorgelegt, eher eine Reihe von Indizien. Das erste Indiz betrifft die Nähe Trumps zu Putin. Trump scheint von dem autoritären Führungsstil des Russen fasziniert zu sein. Er nennt ihn einen "starken Anführer". Kürzlich sagte Trump, er würde Nato-Verbündete nicht automatisch gegen Russland verteidigen. Trump ist mit dieser Haltung isoliert, besonders in seiner eigenen Partei: Deren Wortführer werfen Obama sonst immer wieder vor, Putin nicht genügend die Stirn zu bieten.

Das zweite Indiz liegt darin, dass die Hacker angeblich ein besonderes Interesse an Trump offenbaren. Als der Demokratischen Partei im Mai ungewöhnliche Vorgänge in ihrem Netzwerk auffallen, verpflichtet sie die Firma CrowdStrike. Deren Experten finden heraus, dass sich Hacker im April Zugang verschafft haben zu dem Material, das die Demokraten über die Opposition sammeln, und dass dabei Unterlagen über Trump gestohlen wurden.

Drittes Indiz: Die Hacker stammen angeblich aus Russland. Den Experten zufolge, die den Fall für die Demokraten aufklären, handelt es sich um zwei Gruppen. Eine heißt APT 28 oder "Fancy Bear", die andere APT 29 oder "Cozy Bear". Die erste wird dem russischen Militärgeheimdienst GRU zugerechnet, die zweite dem Geheimdienst FSB. Cozy Bear (übersetzt: Kuschelbär) soll ein ganzes Jahr lang Zugang zu allen Informationen auf dem Server der Demokraten gehabt haben.

Nun ist es generell schwierig, Hackerangriffe einer bestimmten Gruppe zuzurechnen. Die Experten von CrowdStrike aber vermuten stark, dass die Täter in Russland sitzen. Die Angriffe seien so raffiniert, heißt es in ihrem Bericht, dass sie nur von einem Staat stammen könnten, und sie passten zu den strategischen Interessen der russischen Regierung. Manche Spuren ähneln zum Beispiel jenen, die auch bei einem Angriff auf den deutschen Bundestag hinterlassen wurden; für diesen Angriff machten Sicherheitsexperten ebenfalls Russland verantwortlich. Wie die New York Times berichtet, sind die US-Geheimdienste zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Allerdings sind sie sich nicht sicher, ob die Russen bloß routinemäßig Informationen bei den Demokraten abgegriffen haben oder ob sie tatsächlich das Ziel hatten, den amerikanischen Wahlkampf zu beeinflussen.

Für die zweite These spricht, dass die gestohlenen E-Mails in der Öffentlichkeit gelandet sind. Sie wurden von der Enthüllungsplattform Wikileaks ins Netz gestellt und teilweise zuvor von einem Unbekannten namens "Guccifer 2.0". Die US-Geheimdienste glauben, dass Guccifer ein russischer Agent ist. Sollte es einen Plan geben, den Demokraten zu schaden, so hat er zumindest anfangs funktioniert: Die gestohlenen E-Mails verraten, dass die Parteispitze im Vorwahlkampf Clintons Gegenkandidaten Bernie Sanders verhöhnt hat. Die Parteichefin Debbie Wasserman Schultz ist deswegen jüngst zurückgetreten. Am Mittwoch eskalierte der Streit über den Hackerangriff: Trump forderte Moskau auf, sich in Clintons Computer zu hacken und E-Mails zu finden, die Clinton in ihrer Zeit als Ministerin auf ihrem eigenen Server gespeichert hatte und löschen ließ, weil sie angeblich privat waren. "Russland, wenn Sie zuhören, so hoffe ich, Sie finden die 30 000 fehlenden E-Mails", sagte Trump. Clintons Lager reagierte empört: Noch nie habe ein US-Präsidentschaftskandidat eine fremde Macht aufgefordert, Rivalen auszuforschen.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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