Wütende Abgeordnete, hämische Medien-Kommentare und Zweifel im Weißen Haus: Julia Pierson musste abtreten. Im Kongress nannten Demokraten und Republikaner die jüngsten Pannen "empörend", "absolut schmachvoll" und "irre". Viele Amerikaner sind es leid, dass staatliche Behörden vor allem durch die schlechte Qualität ihrer Arbeit auffallen.
Fraglos sind die Fehler und Schlampereien, die in den letzten Tagen über die Personenschützer des Secret Service bekannt wurden, extrem peinlich:
- Mitte September 2014 drang ein bewaffneter Mann bis in die Empfangsräume des Weißen Hauses vor.
- Drei Tage zuvor fuhr ein bewaffneter, vorbestrafter Mann im selben Aufzug wie Obama, ohne dass seine Pistole bemerkt wurde.
- Im April 2012 hatten sich Personenschützer bei einer Dienstreise in Kolumbien Prostituierte in ihr Hotel eingeladen.
- Im November 2011 konnte ein Mann sieben Schüsse auf das Weiße Haus abfeuern. Es dauerte vier Tage, bis die Agenten bemerkten, dass auf den Amtssitz des Präsidenten geschossen wurde.
Doch US-Präsident Barack Obama dürfte sich nicht nur um seine eigene Sicherheit und um das Wohlergehen seiner Frau und seiner Töchter sorgen. Das Versagen des Secret Service, deren Mitglieder sich gern als "Rockstars ohne Gitarren" bezeichnen, ist nur das jüngste Beispiel in einer langen Reihe von Pannen, für die Amerikas staatliche Behörden verantwortlich sind.
- Mindestens 40 Veteranen starben, weil sie keinen Termin in einem Militär-Krankenhaus erhalten hatten. Ermittlungen ergaben, dass Zehntausende Ex-Soldaten auf Behandlung warten und in mehreren Kliniken Daten gefälscht wurden, um das Versagen zu vertuschen.
- Der Start der Gesundheitsreform Obamacare, dem wichtigsten innenpolitischen Projekt des Präsidenten, wurde vor einem Jahr zum PR-Fiasko, weil das Gesundheitsministerium keine funktionierende Website bereit stellen konnte.
- Beamte der ohnehin unbeliebten Steuerbehörde IRS mussten 2013 einräumen, dass sie konservative Gruppen wie die Tea-Party-Bewegung jahrelang besonders intensiv kontrolliert hatten. Die Republikaner werfen Obama seitdem vor, die Staatsbehörde für politische Zwecke missbraucht zu haben.
- Im Kampf gegen den IS im Irak und Syrien musste Obama jüngst zugeben, dass die CIA die Gefahr unterschätzt hätte, die von der Dschihadisten-Miliz ausgeht. Angesichts der vielen Milliarden, die Washington in seine diversen Geheimdienste investiert, sorgte diese Aussage für Kopfschütteln.
Wenn sich republikanische Abgeordnete nun öffentlich über die Fehler der Secret-Service-Agenten aufregen und sich Sorgen um die Sicherheit des sonst so unbeliebten Präsidenten machen, dann ist das keineswegs nur Polit-Folklore. Viele Kongressmitglieder sind wirklich schockiert. Allerdings betont die New York Times zurecht, dass es den Konservativen gelegen kommt, wenn sich der Eindruck verfestigt, dass in Obamas Weißem Haus wenig fehlerfrei funktioniert.
Warum Amerikas politisches System still steht
Natürlich ist Obama nicht für die Schlampereien seiner Leibwächter zuständig. Doch als Präsident ist er für viele der obigen Pannen seiner Regierung verantwortlich. Und sein abwartender, mitunter schlingernder Kurs in der Weltpolitik festigt nur bei wenigen Bürger das Vertrauen in den Staat: Lediglich 31 Prozent der Amerikaner unterstützen Obamas außenpolitische Entscheidungen.
Ein entscheidender Grund für das ständige Versagen der amerikanischen Institutionen liegt aber auch darin, dass in Washington nichts vorangeht und sich Demokraten und Republikaner gegenseitig blockieren. Wichtige Investitionen in Infrastruktur (überall in den USA gibt es marode Brücken und Highways voller Schlaglöcher) bleiben ebenso aus wie eine Debatte über die Zukunft der Sozialsysteme oder den Abbau der Staatsschulden. Vorausschauende, bürgernahe Politik ist kaum möglich, wenn jede Partei nur an die Interessen ihrer Kernklientel denkt (mehr über die drängendsten Probleme der USA in dieser Süddeutsche.de-Analyse).
Regierung als Problem
Knapp fünf Wochen vor den Kongresswahlen ist es für die Demokraten ausgesprochen schädlich, wenn Medien und Bürger über das Versagen von Behörden diskutieren. Denn die Mitglieder - und die Politiker - von Obamas Partei sind davon überzeugt, dass sich durch "mehr Staat" und den Einsatz von Steuergeldern das Leben vieler verbessern lässt.
Diese Überzeugung würden sicher mehr Amerikaner annehmen, wenn der Staat und dessen Angestellte bessere Arbeit abliefern würde. Und so freuen sich vor allem die Republikaner, die ständig ihr Idol Ronald Reagan zitieren. Dieser hatte 1981 erklärt: "Die Regierung ist nicht die Lösung für unser Problem, sie ist das Problem."