Rücktritt von NPD-Chef Apfel:Rechte Taktiker gegen Kameradschaftsfreunde

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Er ist von seinen Ämtern als NPD-Chef und Fraktionschef im Sächsischen Landtag zurückgetreten: , Holger Apfel (hier auf einem Archivbild). (Foto: dpa)

In der rechtsextremen NPD war Holger Apfel immer umstritten. Er wollte der Partei einen seriösen Anstrich verpassen, doch seine Gegner werfen ihm vor, zu lasch zu agieren. Jetzt ist Apfel als Chef zurückgetreten. Der Partei, die ohnehin große Probleme hat, droht ein Machtkampf.

Die NPD plagen existenzielle Probleme. Ein neuer Verbotsantrag wurde vor Kurzem beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, die staatliche Wahlkampffinanzierung wurde wegen offener Strafzahlungen und eines falschen Rechenschaftsberichts ausgesetzt, dem NPD-Verlag "Deutsche Stimme" geht es wirtschaftlich schlecht und vor der Europawahl im Mai 2014 muss sich die Partei positionieren. Eine schwierige Lage, in der die Rechtsextremen jetzt nicht einmal mehr über einen Parteivorsitzenden verfügen.

Der bisherige Vorsitzende Holger Apfel ist am Donnerstag von seinem Amt zurückgetreten. In einer Erklärung der Partei heißt es, Grund sei eine Erkrankung Apfels. Auch den Fraktionsvorsitz im sächsischen Landtag hat Apfel mit sofortiger Wirkung niedergelegt. "Es geht in Richtung Burn-out", sagte Jürgen Gansel, NPD-Abgeordneter im Sächsischen Landtag, der Süddeutschen Zeitung.

Innerparteiliche Gegner Apfels sprechen allerdings von anderen Gründen für den Rückzug. Parteifreunde hätten Apfel mit persönlichen Anschuldigungen stark unter Druck gesetzt und zum Verzicht auf die Ämter gedrängt, heißt es aus NPD-Führungskreisen.

Sondersitzung am Wochenende

Am Sonntag will das Parteipräsidium der NPD zu einer Sondersitzung zusammenkommen und beraten, wie es jetzt weiter gehen soll. Im Moment leiten Apfels Stellvertreter die Partei: Udo Pastörs, Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern, der bayerische Landeschef Karl Richter und Frank Schwerdt, der Leiter der Rechtsabteilung.

Die innerparteilichen Querelen der NDP waren in den vergangenen Wochen immer deutlicher zu Tage getreten. Apfel kämpfte im für die NPD wichtigen Bundesland Sachsen gegen große Widerstände, Teile der dortigen Kameradschaftsszene machten keinen Hehl daraus, dass sie Apfel schnellstmöglich loswerden wollten. Viele in der Partei bezeichneten ihn offen als gescheitert.

Und Ex-Chef Udo Voigt hat sich auch schon in Stellung gebracht. Er war 2011 nach 15 Jahren an der Parteispitze gestürzt worden, von Apfel und Pastörs, die als Vertraute gelten. Im aktuellen Streit geht es um die Spitzenposition bei der Europawahl. Apfel und der Vorstand der Partei hatte den Spitzenplatz Pastörs versprochen.

Diese Entscheidung will Voigt nicht akzeptieren und hat angekündigt, es auf eine Kampfabstimmung bei einem Parteitag Anfang Januar ankommen zu lassen. Weitere Attacken auf Apfel kommen überdies auch aus anderer Richtung: Vizechef Karl Richter hat ebenfalls Ambitionen auf die Spitzenkandidatur bei der Europawahl. Richter griff Apfel zuletzt offen und massiv an, warf dem Parteivorsitzenden Mobbing und Intrigen vor.

In seiner Zeit als Parteichef war Apfel innerparteilich immer umstritten. Seine Strategie umschrieb er gerne als "seriöse Radikalität". Apfel trat meist jovial auf, gab sich abwechselnd als Biedermann und Brandstifter. Er versuchte die NPD vor allem als Anti-EU-Partei zu etablieren, polemisierte immer wieder gegen den Euro. Von den gerade in Sachsen zahlenmäßig stark vertretenen Kameradschaften grenzte er sich ab, wollte der NPD nach außen einen gemäßigteren, fast bürgerlichen Anstrich verpassen. Voigt hatte es zuvor mit der gegenteiligen Taktik versucht, hatte sich und die Partei stark im äußerst radikalen Kameradschaftsspektrum verortet.

Innerparteiliche Kritiker, allen voran dessen Vorgänger Voigt, warfen Apfel vor, durch einen zu laschen, zu gemäßigten Kurs die Strukturen der Partei zu schädigen. Tatsächlich kämpft die NPD in den vergangenen Monaten mit einem starken Mitgliederschwund. Außerdem war Apfel vorgehalten worden, keine Antwort auf das Erstarken der eurokritischen AfD zu haben. Bei der Europawahl ist die NPD nicht chancenlos, da hier die Drei-Prozent-Hürde gilt. Apfel hatte den Einzug in das Europaparlament als Ziel angegeben.

Details aus dem Verbotsantrag

Durch den Verbotsantrag sind auch neue Detailsüber die NPD bekannt geworden. Gegen ein Viertel aller Funktionäre ergingen demnach rechtskräftige Urteile, die meist in Geld- oder Freiheitsstrafen auf Bewährung mündeten. In knapp sieben Prozent der Urteile habe es sogar Freiheitsstrafen ohne Bewährung gegeben.

Die Ermittlungen beziehen sich demnach auf politisch motivierte Straftaten, die zum Teil bis in die Neunziger Jahre zurückreichen. Es geht demnach etwa um Körperverletzung, Landfriedensbruch, Verstöße gegen das Waffengesetz und die Bildung krimineller terroristischer Vereinigungen.

Die Antragsschrift des Bundesrats war Anfang Dezember beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Der Antrag listet zahlreiche Zitate, von Parteifunktionären auf, auch solche Apfels, die belegen sollen, dass die NPD ideologisch auf einer Linie mit der NSDAP steht. Appfel hatte gesagt, er sehe dem Verbotsverfahren gelassen entgegen und gehe von einem Scheitern aus.

Noch unklar ist, wie die Parteispitze nach dem Abgang Apfels zukünftig aussehen wird. Die Rechtsextremen stehen möglicherweise vor einem Machtkampf. Hatte Apfel dem Flügel der Taktiker innerhalb der Partei starkes Gewicht gegeben, könnten jetzt die Kameradschaften, eventuell mit Voigt an der Spitze, ihre Chance gekommen sehen.

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