Rom:Ewige Stadt, endliches Licht

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Rom tauscht die Straßen­bel­euch­tung aus - und entfesselt einen Aufstand.

Von Oliver Meiler

Wenn sich die Nacht über Rom senkt, versöhnt sich der Römer immer mit seiner chaotischen Stadt. Sie kommt ja nicht abrupt, die Nacht, sie dämmert lieblich heran. Die Kronen der Pinien und Platanen, die Kuppeln der vielen Kirchen, die Reste der Antike - sie stehen eine ganze Weile in diesem warmen Abendlicht des Südens. Es hüllt alles ein. Man steht dann sogar gern im Stau, den linken Ellbogen draußen. Es wird weniger gehupt und geschimpft, dann ist der Tag weg, wie weggedimmt. Die Laternen in den Straßen und auf den Piazze nehmen die letzte Lichtfarbe des Tages auf, dieses dämmrige Gelborange, als wäre sie ein Tribut an die späte Sonne. Sie zieht sich durch die Nacht bis zur Morgenröte.

So kitschig schön war das bisher. Rom und sein Lichtspiel - das machte für viele einen Gutteil der Magie dieser Stadt aus.

Nun aber ist die städtische Stromgesellschaft Acea dabei, Rom in ein neues, kaltes, weißes Licht zu tauchen. Viertel um Viertel. Monti und das Ghetto waren schon dran, Trastevere und das Borgo Pio beim Vatikan auch. Alle anderen werden folgen. Acea montiert dafür die geschwungenen Kandelaber ab, von denen manche seit hundert Jahren das Stadtbild prägen. Bei den "lampioni" unter Denkmalschutz entfernen sie das gelbe Schutzglas, das den römischen Nächten diesen unverwechselbar gedämpften, irgendwie nobel dekadenten Ton verliehen hatte. Und natürlich werden die alten Glühbirnen durch LED-Lampen ersetzt. Die brauchen weniger Strom, geben mehr Licht und haben eine längere Lebensdauer. 23 Millionen Euro im Jahr, so hört man, soll die klamme Stadt mit der Modernisierung der Beleuchtung sparen. Darum geht es, um profane 23 Millionen Euro.

Dafür ist aller Zauber weg, die ganze Lieblichkeit. Das Ambiente gemahne nun an das Innere eines Kühlschranks, finden viele. Manche fühlen sich gar an eine Leichenhalle erinnert, wobei man wissen muss, dass Römer zur Übertreibung neigen. Die Empörung ist immens, es laufen Unterschriftensammlungen und Protestaktionen. In Trastevere stellen sie Kerzen ins Fenster, in Monti ist ein stiller Marsch geplant. Die römische Zeitung La Repubblica schreibt von einem "Volksaufstand".

Alle Hoffnung hängt nun an der Bürgermeisterin, an Virginia Raggi von den Cinque Stelle. Sie möge den "Horror" stoppen - so nennt der sonst eher nüchterne Corriere della Sera die Umrüstung. Den Beschluss dazu hatte Raggis Vorvorgänger im Amt gefasst, der Postfaschist Gianni Alemanno, einer von Roms unrühmlichsten Bürgermeistern der vergangenen paar Jahrtausende. Der Linke Ignazio Marino, Alemannos Nachfolger und ebenfalls keine sehr erinnerungswürdige Figur, trug den Entscheid weiter. Und Raggi setzt ihn nun also um. Würde sie den "Horror" stoppen, wäre ihr, die sich bisher auch nicht mit großen Verdiensten hervortat, viel Gunst sicher. Auf einen Schlag, ohne viel Aufwand.

Und zumindest das historische Zentrum müsste die Bürgermeisterin doch retten wollen. Als Ort für die tägliche Versöhnung der Römer mit ihrer Stadt - sonst stehen sie bald nächtens mit frierender Seele auf der Piazza Navona oder vor dem Pantheon.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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