Religion:Luthers Sau

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In Wittenberg tobt ein Streit um ein antisemitisches Relief. Eine Plakette im Boden weist seit Jahren auf die Darstellung der "Judensau" an der Fassade der Stadtkirche hin - doch eine Tafel im Boden reiche nicht mehr aus, sagen Kritiker.

Von Matthias Drobinski

An der Stadtkirche zu Wittenberg, wo einst Martin Luther predigte, prangt an der Außenseite ein Relief: Eine Sau säugt Juden, ein Rabbiner schaut an ihrem Hintern, was da zu sehen ist. Die Botschaft: Daher also ziehen die Juden Kraft und Erkenntnis, aus den Zitzen und dem Anus des unreinen Tieres. Die "Judensau" gehört zum antijüdischen Repertoire des Mittelalters, sie findet sich an vielen Kirchen im Land. Martin Luther schrieb über die in Wittenberg, es habe sie wohl jemand anbringen lassen, "der den unflätigen Lügen der Juden feind gewesen ist".

Da ist es, das antisemitische Erbe des Reformators, dessen Thesenanschlag vor 500 Jahren am 31. Oktober gefeiert wird. In Wittenberg wurde dieses Erbe durchaus aufgearbeitet: Seit dem 9. November 1988 verweist eine Bronzetafel im Boden vor der Kirche auf den Judenmord, der seine Wurzel auch im christlichen Antijudaismus hatte. Streit gibt es nun trotzdem. Eine jüdisch-christliche Initiative um den Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik fordert, das Denkmal solle auffälliger und klarer werden. "Ich habe großen Respekt vor denen, die in der DDR für die Platte gekämpft haben", sagt er, "aber sie genügt nicht mehr." Sein Vorschlag: Ein Duplikat des Reliefs am Boden, versehen mit einer klaren Absage an jeden Antisemitismus, "wie sie die evangelische Kirche ja schon formuliert hat", so Brumlik.

Die Kirchengemeinde und der Stadtrat dagegen wollen das Denkmal erhalten, das sie einst der DDR-Führung abtrotzten. Brumlik und seine Mitstreiter wollen nun am Samstag auf dem Wittenberger Marktplatz aus Luthers antisemitischen Schriften vorlesen, um ihr Anliegen zu verdeutlichen: "Bei jeder Judensau-Darstellung sollte es ein Mahnmal geben."

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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