Regierungsoptionen:Duell der Großen

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SZ-Grafik; Quelle: Landtag.nrw.de, Forschungsgruppe Wahlen (Foto: a)

Die Grünen haben ein Jamaika-Bündnis ausgeschlossen, die FDP eine Ampel. Damit deutet sich eine große Koalition an.

Von Jan Bielicki

Es sieht aus wie eine vorweggenommene Siegesfeier. Bässe wummern aus den Lautsprechern, gelbes Scheinwerferlicht wirbelt über die Bühne, der Applaus brandet schon auf, als Christian Lindner nur aufsteht. Im Essener Colosseum-Theater, einst Industriehalle des Krupp-Konzerns, feiert Nordrhein-Westfalens FDP am Donnerstagabend ihren Chef und Spitzenkandidaten. Alle Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass die Liberalen guten Grund zur Vorfreude haben. Sie können damit rechnen, dass an diesem Sonntagabend der gelbe FDP-Balken in den Grafiken der Hochrechnungen weit nach oben wächst. Lindner könnte einer der großen Wahlsieger sein, obwohl er selber gar nicht in die Regierung strebt, sondern im Herbst weiterziehen will nach Berlin in den Bundestag. Auch seine dann zurückbleibenden Parteifreunde schwört er vor allem auf eine Rolle ein: Es komme darauf an, "dass die FDP Dampf macht aus der Opposition".

Es könnte spannend werden wie selten an diesem Wahlabend - und das, obwohl sich bereits vor Auszählung der Stimmen abzeichnet, welche Parteien künftig die Regierung in Düsseldorf stellen werden. Vieles deutet auf eine große Koalition von SPD und CDU hin. Eine große Frage freilich müssen die gut 13 Millionen Wahlberechtigten im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland erst noch beantworten: Wer wird sie führen? Kann Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die SPD als stärkste Partei an der Spitze halten? Oder schafft ihr Herausforderer Armin Laschet, was noch vor wenigen Wochen unvorstellbar zu sein schien: Holt er für seine CDU Platz eins und damit den Anspruch auf das Amt des Regierungschefs?

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Klar scheint eines zu sein, da sind sich alle Umfrageinstitute einig: Die bisherigen Regierungsparteien SPD und Grüne werden wohl beide deutlich verlieren, von einer Mehrheit im künftigen Landtag sind sie aussichtslos weit entfernt. Umgekehrt dürfte es allerdings selbst bei deutlichen Stimmenzugewinnen auch für CDU und FDP nicht reichen - jedenfalls nicht in einem Parlament, dem mit großer Wahrscheinlichkeit die AfD und womöglich auch die Linke angehören werden.

Laut den Umfragen hätte auch Rot-Rot-Grün keine Mehrheit

Nach jetzigem Stand der Umfragen wären mehrere Konstellationen eines Regierungsbündnisses rechnerisch möglich. Da wäre die rot-gelb-grüne Ampel aus SPD, FDP und Grünen. Oder eine nach der schwarz-gelb-grünen Nationalflagge Jamaikas benannte Koalition. Oder eine wie auch immer kolorierte Minderheitsregierung. Doch das ist alles Theorie. Denn auf dem Platz grassiert das, was der hessische Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir vor Jahren einmal als "Ausschließeritis" diagnostiziert hat. Praktisch jede Partei hat im Wahlkampf eine spätere Zusammenarbeit mit diesem oder jenem Wettbewerber öffentlich ausgeschlossen. Das schränkt die theoretische Vielfalt der Bündniskonstellationen stark ein.

Zuletzt hatte sich Kraft eindeutig ("das sage ich ganz klar") festgelegt, mit ihr werde es "keine Regierung mit Beteiligung der Linken" geben. Zwar hatte sie die Linken schon zuvor stets als "nicht regierungswillig und nicht regierungsfähig" abgekanzelt. Doch offenbar hielt sie es für nötig, im Kampf um die vielen noch unentschlossenen Wähler ein für allemal Gedankenspiele zu beenden, die ohnehin nur eine Geisterdebatte widerspiegelten. Denn selbst wenn es die Linken in den Landtag schaffen sollten, so hätte Rot-Rot-Grün Umfragen zufolge immer noch keine Mehrheit.

Nur wenige Tage zuvor hatte das Ausschließvirus bereits die durch schlechte Umfragewerte geschwächten Grünen erfasst. Per einstimmigem Parteiratsbeschluss lehnten sie eine Zusammenarbeit sowohl mit Laschets CDU als auch mit Lindners FDP ab: "Dieser Politik werden wir nicht zur Macht verhelfen." Jenen, die in dieser Formulierung noch ein Hintertürchen für Jamaika sahen, diktierte Parteichef Sven Lehmann: "Es wird in NRW keine Jamaika-Koalition geben." Nicht alle in der Partei halten dies für klug. Robert Habeck, Spitzen-Grüner aus Schleswig-Holstein mit gutem Wahlergebnis, sagte am Rande einer Wahlkundgebung in Köln: "Bei uns haben wir nichts ausgeschlossen. Wir können jetzt Politik machen."

Allerdings hat sich in NRW auch die FDP festgelegt und wiederum eine Ampel ausgeschlossen - ebenfalls einstimmig per Parteitagsbeschluss. "Ein echter Politikwechsel" sei mit SPD und Grünen zusammen "offenkundig nicht zu erreichen", heißt es darin, "deshalb wird die FDP dieser Konstellation nicht als dritter Partner zur Mehrheit verhelfen." Auf die Liberalen könnte es freilich ankommen, wenn es Linke oder AfD nicht in den Landtag schaffen. Dann nämlich könnte womöglich auch eine kleine Koalition unter Einschluss der FDP eine Mehrheit erreichen. In diesem Fall würde Lindner gerne mit der CDU koalieren. Die Wahrscheinlichkeit eines Bündnisses mit SPD gehe dagegen "gegen null", erklärt er seinen Anhängern in Essen. Ausschließen aber will er sie ganz ausdrücklich nicht.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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