Krise in Athen:Regierungsbildung gescheitert - Neuwahlen in Griechenland

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Er hat geredet, er hat gedroht, er hat gefleht, doch es hat alles nichts genützt. Staatspräsident Papoulias konnte die Parteichefs nicht davon überzeugen, eine Expertenregierung einzusetzen. Im Juni wird es Neuwahlen geben. Die wirtschaftliche Lage spitzt sich weiter zu - in drei Wochen droht den griechischen Banken die Pleite.

Christiane Schlötzer, Istanbul

In Griechenland ist am Dienstag auch der letzte Versuch einer Regierungsbildung gescheitert. Staatspräsident Karolos Papoulias musste seine Bemühungen einstellen. Damit steht das Land vor einer Neuwahl in der ersten Juni-Hälfte und vor einer ungewissen politischen und finanziellen Zukunft. Papoulias warnte davor, die Griechen könnten vor den nächsten Wahlen "in Ruinen sitzen", den Juni nannte er einen "Monat der Tragödie".

Der 82-Jährige hatte am Mittag die Vorsitzenden aller im Parlament vertretenden Parteien - mit Ausnahme der Faschisten - erneut zusammengerufen, um einen letzten Versuch zu unternehmen, die Neuwahl zu vermeiden. Bereits am Abend zuvor hatte Staatspräsident Papoulias vergeblich auf die Parteichefs eingeredet, wenigstens einer Expertenregierung zuzustimmen, die für eine begrenzte Zeit amtiert. Papoulias hatte die Parteivertreter geradezu angefleht, sich zusammenzuraufen.

Die Unterredungen im Präsidentenpalais verliefen dramatisch, wie ein Protokoll der verschiedenen Gespräche vom Sonntag zeigt. Laut dieser Notizen sagte der Präsident auch, dass er den Griechen schonungslos ihre Lage darlegen und sagen werde, warum seine Bemühungen um eine Regierung gescheitert seien. Er werde dabei auch vom "Egoismus" der Parteien sprechen. "Oft sehen wir die Katastrophe nicht kommen, die Lawine, die sich ein paar Meter entfernt von uns bewegt", sagte der verzweifelte Papoulias in der Sitzung, deren Protokoll das Präsidentenamt am Dienstag selbst veröffentlichte.

Griechenlands Banken sollen nur noch für etwa drei Wochen flüssig sein

Von Ex-Premier Lukas Papadimos soll die Information an die Krisenrunde weitergegeben worden sein, dass Griechenlands Banken nur noch für etwa drei Wochen flüssig seien. Die Rekapitalisierung der Kreditinstitute ist Teil des Hilfspakets von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Die Geldgeber haben bereits mit einem Stopp der Milliardenhilfe gedroht, falls sich Athen von dem festgelegten Spar- und Reformkurs verabschiedet. Die nächste Milliardentranche ist im Juni fällig.

Als Termine für eine Neuwahl gelten der 10. oder der 17. Juni. Bis dahin soll ein Übergangspremier amtieren, den Papoulias einsetzen kann. Vorgesehen dafür ist offenbar der Präsident des Höchsten Verwaltungsgerichts, Panajotis Pikramenos. Über die Formalitäten der Übergangsregierung soll am Mittwoch beraten werden.

Sozialistenchef Evangelos Venizelos sprach nach dem Krisentreffen von "schlimmen Bedingungen" für Neuwahlen. Die Chancen für eine Einigung erschienen schon vor der etwa zweistündigen Sitzung am Dienstag gering. Fotis Kouvelis, der Chef der kleinen Partei Demokratische Linke, die Zünglein an der Waage hätte spielen können, sprach sich gegen eine Technokratenregierung aus, weil sie das Eingeständnis wäre, dass die Politik versagt habe. Für diese Haltung musste sich Kouvelis harte Kritik des Präsidenten anhören.

Politischer Tumult in Athen

Alexis Tsipras, der Chef der Radikalen Linken Syriza, strebte auch am Dienstag eine Neuwahl an, bei denen seine Partei nach Umfragen damit rechnen kann, stärkste Kraft zu werden. Gelingt ihr dies, erhält sie nach dem griechischen Wahlrecht einen Zuschlag von 50 Sitzen. Um sicher zu sein, diesen Bonus zu bekommen, will Tsipras sein linkes Parteienbündnis in eine richtige Partei verwandeln. Tsipras lehnt das Sparprogramm vehement ab, er möchte aber Griechenland trotzdem in der Euro-Zone halten.

Der Dienstag war in Athen ganz von politischem Tumult geprägt. Am Morgen bestritt der Chef der Rechtspartei der Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos, dass er jemals einen Brief an Papoulias geschickt habe, in dem er sich für eine Allparteienregierung ausgesprochen hatte. Kammenos, dessen Partei Platz vier bei den Wahlen am 6. Mai erobert hatte, sprach im Sender Skai von einer "Provokation" und forderte ein Einschreiten des Staatsanwalts.

Der Chef der faschistischen Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte), leugnete in einem Interview, dessen Video im Internet abrufbar war, die Existenz der Gaskammern im Dritten Reich. Regierungssprecher Pantelis Kapsis reagierte scharf und sprach von einer Verunglimpfung von Millionen Holocaust-Opfern, zu denen auch Zehntausende griechische Juden gehörten. Das Schicksal griechischer Juden in der Nazizeit wird erst seit kurzem in den Schulbüchern des Landes beschrieben.

© SZ vom 16.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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