Rede zum niederländischen Befreiungstag:Was Joachim Gauck in Holland beachten muss

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Vrijheid geef je door, Freiheit weitergeben, lautet das Thema, zu dem Bundespräsident Joachim Gauck am Befreiungstag der Niederlande eine Rede in Breda hält. Obgleich der Freiheitsbegriff eines von Gaucks Lieblingsthemen darstellt, ist das ein heikler Termin.

Thomas Kirchner

Es ist ein Termin, der dem neuen Bundespräsidenten gefallen wird. Als erster Deutscher hält Joachim Gauck an diesem Samstag die offizielle Rede zum Befreiungstag der Niederlande. Das Thema: Vrijheid geef je door, Freiheit weitergeben, Gaucks Thema also, und das, obwohl die Nachbarn eigentlich dessen Vorgänger Christian Wulff eingeladen hatten. Aber es ist auch ein heikler Termin, denn in Holland wurde manche Stirn gerunzelt wegen des Besuchs des Deutschen an einem Tag, der den Holländern enorm viel bedeutet, der voller Emotionen steckt, vor allem antideutscher.

Bundespräsident Joachim Gauck besucht mit Lebensgefährtin Daniela Schadt die Niederlande. (Foto: dapd)

Das niederländische Gedenken ist auf zwei Tage verteilt. In sich gekehrt ist das Land am 4. Mai, wenn es um 20 Uhr zwei Minuten lang in Schweigen verharrt und so an die Landsleute erinnert, die seit 1940 in Kriegen ums Leben kamen. Etwas fröhlicher und zukunftsgewandt feiert das Königreich tags darauf dann an vielen Orten die Befreiung von den Nazis am 5. Mai 1945, als die Kapitulation der deutschen Truppen in den Niederlanden in Wageningen besiegelt wurde.

Die deutsche Besatzung von 1940 bis 1945, das Bombardement von Rotterdam, die Versuche, das Land zu nazifizieren und zu korrumpieren, die Massendeportation von Juden, Tod, Leid und Zerstörung, all dies ist nach Jahrzehnten noch präsent und lässt sich nur langsam in ein freund- und nachbarschaftliches Miteinander überführen. Gerade in jüngster Zeit hat sich die Einstellung zu den Deutschen stark verbessert, die nicht als Herrscher gelten, sondern als gleichgesinnter Partner bei der Rettung des Euro. Selbst Duelle der Fußball-Nationalmannschaften sind inzwischen ohne Hass-Gesänge möglich.

Und doch hatten sich die Niederländer vor zwei Jahren noch erbittert über die Frage gestritten, ob der deutsche Botschafter am 4. Mai an der zentralen Feier zum "dodenherdenking" auf dem Amsterdamer Damplatz teilnehmen dürfe. Allein die Anfrage des deutschen Diplomaten erschien manchem Holländer schon aberwitzig. Nach einigem Hin und Her einigte man sich damals auf die Formel, dass es sich um eine rein holländische Veranstaltung handele, zu der man überhaupt keine Vertreter aus dem Ausland einladen wolle.

Nur vereinzelt offener Protest

Dass nun Gauck bei der Feier in Breda sprechen darf, ist insofern eine starke Geste der Versöhnung und ein Zeichen der Normalisierung. Ihm könnte es gelingen, Freiheit als einen Wert darzustellen, den Niederländer und Deutsche gemeinsam verteidigen müssen. Nur vereinzelt war denn auch offener Protest gegen sein Kommen zu vernehmen.

Jüdische Organisationen und KZ-Überlebende verwiesen auf den Streit um die Auslieferung des gebürtigen Holländers Klaas Carel Faber. Als Mitglied der Waffen-SS und Aufseher im KZ Westerbork tötete der heute 90-Jährige Dutzende Niederländer, wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, floh aber später nach Deutschland, das ihn nicht ausliefern will, weil er möglicherweise deutscher Staatsbürger ist.

Wie heikel das Befreiungsthema trotz Gaucks Rede noch ist, zeigt der Eklat um Auke Siebe Dirk de Leeuw. Der 15-Jährige war ausgewählt worden, am Freitag ein Gedicht vorzutragen. Doch weil seine Verse auch von seinem Großonkel bei der Waffen-SS handelten, wurden sie nach Beschwerden vom Programm gestrichen.

Weit weniger Konfliktstoff barg am Freitag der Antrittsbesuch des Bundespräsidenten in Schweden. Wichtigster Programmpunkt war das Jubiläum der Deutschen Schule in Stockholm, die vor 400 Jahren gegründet wurde. Dabei rief Gauck Deutsche und Schweden auf, mehr Verantwortung für Europa zu übernehmen. Nach Gesprächen mit König Carl Gustav traf der Präsident Unternehmer, während seine Lebensgefährtin Daniela Schadt in Begleitung von Königin Silvia die deutsche Kirche in der Stockholmer Altstadt besichtigte.

© SZ vom 05.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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