Prozess in München:Streit über Aussagen des NSU-Kronzeugen

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Welche Rolle spielte Holger G. in der Naziszene? Der Kronzeuge im NSU-Prozess lässt keine Nachfragen zu. Das Gericht muss sich deshalb mit der Befragung eines Kripobeamten behelfen, der ihn einst vernahm. Seine Aussagen werden unterschiedlich bewertet.

Von Annette Ramelsberger

Der langjährige Neonazi Holger G. hat die drei Mitglieder des NSU als seine Freunde bezeichnet, er ist mit ihnen in Urlaub gefahren und hat ihnen noch kurz vor dem Auffliegen der Terrorzelle im Jahr 2011 seinen Reisepass überlassen. Das alles hat er im NSU-Prozess zugegeben, aber Nachfragen lässt er nicht zu. Und so behalf sich das Gericht mit der Befragung des Kripobeamten, der G. vernommen hat.

Tagelang wurde der Zeuge befragt - und das Ergebnis wird nun recht unterschiedlich bewertet. Die Nebenkläger halten Holger G., der vor allem die Hauptangeklagte Beate Zschäpe belastete, für glaubwürdig - auch wenn er seine eigene Rolle in der Naziszene heruntergespielt habe.

Der Mann kommt jeden Tag als freier Mann ins Gericht, er ist im Zeugenschutzprogramm. "Das Zeugenschutzprogramm müssen Sie sich erst noch verdienen", rief ihm die Anwältin Edith Lunnebach zu, die die Familie vertritt, in deren kleinem Lebensmittelladen in Köln im Januar 2001 eine Bombe hochging. Denn Holger G. habe dem Trio eine Pistole übergeben, als er schon wusste, dass seine Freunde Sprengstoff hatten und nicht legal zu Geld gekommen waren. "Wie kann man da noch sagen, man habe die Freunde für ehrenhaft gehalten und sie bei all den Treffen freudig empfangen?" Auch andere Nebenkläger erklärten, Holger G. spiele seine Rolle herunter.

Ein weiterer Vernehmer sagte, Holger G. habe einen zerrissenen Eindruck gemacht, den Tränen nahe, aufgelöst. "Aber er ließ keine Zweifel an seiner Freundschaft zu den Dreien aufkommen", sagte der Beamte. "Zu den Dreien hat er aufgeschaut." Es sei ihm bewusst gewesen, dass er durch die Übergabe von Führerschein und Pass die Taten des NSU unterstützt habe.

Der Verteidiger des ehemaligen NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben widersprach der Verwertung der Aussagen insgesamt. Es bestehe keine Möglichkeit, Holger G. mit Fragen zu konfrontieren. Das werte die Europäische Menschenrechtkonvention aber als Verfahrensverstoß. Der Verteidiger von Beate Zschäpe erklärte, das Bundeskriminalamt habe Diskrepanzen in der Aussage von Holger G. nicht aufgeklärt. Der Vernehmer habe es an Objektivität fehlen lassen.

© SZ vom 24.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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