Profil:Zhou Shifeng

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Chinesischer Bürgerrechtsanwalt und Opfer der Staatsgewalt: Zhou Shifeng. (Foto: AP)

Der chinesische Bürgerrechtsanwalt wurde nun zum Opfer der Staatsgewalt.

Von Kai Strittmatter

Nein, er habe keine Angst. Das sagte der Rechtsanwalt Zhou Shifeng, als die Süddeutsche Zeitung ihn zum letzten Mal traf, im Juni vor einem Jahr: "Was sollen sie schon tun? Ich habe nichts Illegales getan." Zhou war damals der Anwalt von Zhang Miao, der seit neun Monaten ohne Anklage inhaftierten Assistentin der Wochenzeitung Die Zeit. Tatsächlich wurde Zhang Miao dann am 9. Juli 2015 freigelassen. Sie traf sich mit Zhou, um ihre Freilassung zu feiern. Ein paar Stunden später nur, in den Morgenstunden des 10. Juli, klopften drei Männer an die Tür des Hotelzimmers von Anwalt Zhou, stülpten ihm ein Hemd über den Kopf und zerrten ihn weg.

Was da noch keiner ahnte: Zhous Verhaftung war der Startschuss zu einem Rachefeldzug gegen einen ganzen Berufsstand. Der Tag wurde Chinas "schwarzer Freitag", insgesamt wurden etwa 300 Bürgerrechtsanwälte und Unterstützer festgenommen. Diese Woche nun kam es zu den ersten Prozessen. Am Donnerstag wurde der 52-jährige Zhou Shifeng verurteilt: zu sieben Jahren Haft wegen "Untergrabung der Staatsgewalt". Maya Wang von der Organisation Human Rights Watch meint dagegen, er werde "einfach dafür (bestraft), dass er seine Arbeit als Anwalt getan hat".

Dass sich die KP Zhou Shifeng als Rädelsführer ausgeguckt hat, liegt wahrscheinlich an dem Selbstbewusstsein, das ihn als Kämpfer für den Rechtsstaat auszeichnete, und an den unkonventionellen Methoden, mit denen seine Anwaltskanzlei für seine Mandanten arbeitete. Nicht selten mobilisierten seine Mitarbeiter die Öffentlichkeit im Internet und in den sozialen Medien - das war noch vor der Amtszeit von Parteichef Xi Jinping, der den Dissens und die gewachsenen Freiräume auch im Netz ausmerzen ließ.

Eigentlich war Zhou ein Wirtschaftsanwalt gewesen, bevor er 2007 die "Fengrui"-Kanzlei gründete. Es waren goldene Jahre für Bürgerrechtsanwälte. Sie wurden bekannt als Vertreter der Opfer von Behördenwillkür oder von Lebensmittelskandalen. Zhous Kanzlei nahm auch Fälle feministischer Aktivistinnen an, später kamen prominente Namen dazu: Ilham Tohti, ein uigurischer Wirtschaftsprofessor, oder der Künstler Ai Weiwei. Heute existiert die Kanzlei nicht mehr. Die Behörden lösten sie auf, die Volkszeitung meldete die "Zerschlagung eines Verbrechersyndikats".

Noch einmal Zhou Shifeng. Vier Wochen vor seiner Verhaftung sagte er der SZ: "Es ist ein Witz. Die KP spricht von der 'Herrschaft der Gesetze', und sie meint damit: 'Ich nehme meine Gesetze und beherrsche dich damit'." Das ist keine gute Zeit, um Anwalt zu sein, oder? "Im Gegenteil", sagte Zhou. "Dies ist eine Zeit, die großartige Anwälte gebiert. Anwälte, die Mut, Weisheit und Gewissen brauchen. Kein spannenderer Ort für Anwälte im Moment als China."

Das Gericht in Tianjin war am Donnerstag weiträumig abgeriegelt. Ausländischen Journalisten, aber auch den Angehörigen Zhou Shifengs, wurde der Zutritt verwehrt.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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