Profil:Wolfgang Reitzle

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Wolfgang Reitzle: Ehrgeiziger Aufsichtsratschef des Gaskonzerns Linde. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Ehrgeiziger und machtbewusster Aufsichtsratschef von Linde.

Von Karl-Heinz Büschemann

Für einen Manager wie Wolfgang Reitzle ist es unvorstellbar, sich im Rentenalter darauf zu konzentrieren, sein Golf-Handicap zu verbessern. Bei dem 67-jährigen Aufsichtsratschef von Linde gibt es da auch nicht viel zu verbessern. Reitzle, der in München seit den Achtzigern bekannt ist, weil er lange im Vorstand von BMW saß und auch das Licht der Scheinwerfer suchte, kann sich ein Leben ohne Management-Aufgaben nicht vorstellen. Gerade arbeitet er mit Macht daran, eine der größten Firmenfusionen zu deichseln, an der ein deutscher Konzern je beteiligt war. 30 Milliarden Euro ist der Deal wert.

Reitzle will den Gas-Konzern Linde mit dem US-Konkurrenten Praxair zu einem Unternehmen zusammenschweißen, der an der Börse mehr wert ist als Linde. Das Ergebnis wäre ein Weltmarktführer. Und ein schöner Posten für den ehrgeizigen Manager käme auch dabei heraus. Er wäre wohl am Ende der Präsident des neuen Unternehmens, das nach amerikanischem Vorbild organisiert wäre, also eine Art besonders aktiver Aufsichtsrat. Der wird gut bezahlt. Auch das gefällt Reitzle. Das Tagesgeschäft könnte er einem Chief Executive Officer überlassen, den wohl die Amerikaner stellen würden.

Der promovierte Maschinenbauer aus Neu-Ulm ist ein Ausnahmemanager. Das liegt auch an seinem Auftreten, das so distanziert ist, dass ihn manche für kalt halten. Er ist macht- und selbstbewusst. Wenn ihm etwas nicht passt, macht er nicht mit. Als er nach zwölf erfolgreichen Jahren im BMW-Vorstand 1999 zum zweiten Mal einen anderen als Konzernchef vor die Nase gesetzt bekam, verließ er den Autobauer. Reitzle ging zum amerikanischen Ford-Konzern, wo er für Luxusmarken wie Jaguar, Aston Martin oder Land Rover zuständig war. Das Büro in bester Londoner Lage verließ er bald wieder, weil die Ford-Buchhalter in Detroit nicht verstehen wollten, dass Luxusautos nicht mit Billigteilen zusammengesetzt werden können. Überraschenderweise ging er danach zu Linde, einem Traditionskonzern, der Gas machte, Eismaschinen und Gabelstapler.

Reitzle machte aus dem langweiligen Unternehmen in Wiesbaden, das er bald nach München holte, einen reinen Gaskonzern, stemmte die Übernahme eines großen britischen Konkurrenten und schuf einen Dax-Hochglanz-Konzern. Nebenbei schaffte er es, als Aufsichtsratschef den Autozulieferer Continental zum Erfolg zu bringen.

Reitzle litt Höllenqualen, als er den Chefposten bei Linde 2014 aus Altersgründen verlassen musste und nicht sofort Aufsichtsratschef werden durfte. Das Gesetz schreibt vor einem solchen Wechsel zwei Jahre Wartezeit vor. Ungeduldig schaute Reitzle dem Nachfolger Wolfgang Büchele zu. Der verfehlte die hinterlassenen ehrgeizigen Profitziele, und noch mehr ärgerte Reitzle, dass Linde in dieser Zeit die Weltmarktführung verlor. Seit Mitte Mai ist er wieder da, und kann diese Scharte auswetzen

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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