Profil:Thomas de Maizière

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Bundesinnenminister, der mit seinen Forderungen plötzlich lautstark auftritt.

Von Stefan Braun

Für gewöhnlich entstehen solche Texte im Ministerium. Es gibt Vorplanungen, es folgen erste Absprachen mit dem Minister, dann setzen sich Redenschreiber und Pressesprecher dran, schließlich geht das Werk noch mal durch tausend Expertenhände. Und dann, erst dann wird der Meinungsbeitrag eines Ministers zur Veröffentlichung freigegeben. Diesmal aber, mit Thomas de Maizières Ruf nach einem Umbau der Sicherheitsbehörden, ist das anders gelaufen. Der Minister selbst hat das meiste geschrieben, zwischen den Jahren, zu Hause, in Tagen, in denen die meisten anderen Luft holen möchten. "Leitlinien für einen starken Staat in schwierigen Zeiten": Man muss besonders gestrickt sein, um dem Thema diese Zeit zu schenken.

Besonders gestrickt - das passt freilich auf diesen Bundesinnenminister. Es passt zu seinem Image als ewiger "oberster Beamter" der Regierung, und es passt zu seiner oft vorgetragenen Überzeugung, dass ein Politiker sich nicht andauernd in neue, umstrittene, kaum zu gewinnende Debatten stürzen sollte. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass er jetzt mit beidem bricht. Was er nun vorträgt, soll politisch provozieren, soll anecken und aufwecken. Vor allem aber soll es mit Macht eine kontroverse Debatte anstoßen. Dass der 62-Jährige das jetzt macht, dass er es so macht, dass er sich dabei auch noch wohlfühlt, zeigt, wie sehr er sich in drei Jahren als Flüchtlings-, Anti-Terror- und Anti-Nazi-Minister verändert hat. Hätte er den Text als Plakat an den Eingang des Ministeriums genagelt, ergänzt durch ein "Hier stehe ich und kann nicht anders" - es hätte seine Stimmung am besten wiedergegeben.

Wie groß der Bruch ist, wird deutlich, wenn man sich daran erinnert, welch anderes Bild er zu Beginn der Flüchtlingskrise abgab. Damals verschwand er fast in der Masse der Aufgaben. Dabei hätten sich die Menschen angesichts der riesigen Herausforderung gerade zu der Zeit spürbare Entschlossenheit und klare Linien erwartet. Dass ihm manche das Image eines Versagers anhängten, hatte viel mit mangelnder Orientierung und dem fehlenden Auftritt zu tun. De Maizière musste schmerzhaft lernen, dass seine nüchterne, pragmatische, auch bürokratische Herangehensweise in Zeiten des Terrors als beruhigend, in Zeiten der Flüchtlingskrise aber als dramatische Schwäche empfunden wurde.

Ob er bekommt, was er nun fordert, ist ungewiss. Das gilt schon für die Frage, ob der Verfassungsschutz zusammengelegt werden könnte. Dies indes ist nicht die einzige Forderung von Brisanz. De Maizière will radikal mehr Befugnisse des Bundes gegen Cyber-Angriffe. Er will den Katastrophenschutz zentralisieren; die Nutzung biometrischer Daten ausweiten; den Ländern die Abschiebungen abnehmen. Vielleicht hat er so viel aufgelistet, um wenigstens die Hälfte zu bekommen. Dann wäre er Ursula von der Leyen, die nach diesem Prinzip schon oft Politik gemacht hat, ähnlicher geworden, als er selbst es je für möglich gehalten hätte.

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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