Es gibt eine Szene, mitten im neuen Star-Trek-Kinofilm "Star Trek: Beyond", in der man Sofia Boutella wirklich nicht mehr ignorieren kann. Sie spielt ohnehin schon ein eher auffälliges Alien mit einer Mischung aus Tribal-Tattoo und Zebramuster im Gesicht, und sie ist auch sonst hochinteressant: eine einsame und notgedrungen starke junge Frau, die alle Kampfkünste der Galaxis zu beherrschen scheint. Eine Maschinenbau-Autodidaktin, die sich beim Lesen des Raumschiff-Handbuchs ein lustiges Selfmade-Englisch beigebracht hat.
In dieser Szene betritt sie in der Rolle als Jaylah die Brücke eines Jahrzehnte zuvor gestrandeten Raumschiffs. Sie lebt darin, hat sich häuslich eingerichtet, Captain Kirk und Scotty begleiten sie. Kirk legt natürlich gleich die Hand auf den Kommandosessel. Er will den Platz einnehmen, den er gewohnt ist. Doch in dem Moment wirft sich das Zebra-Alien vor ihm auf den Sitz, Jaylah fläzt sich quer in den Chefsessel und schaut Kirk provozierend ins Gesicht. Nicht, weil sie hier die Fronten klären will. Das ist kein Machtkampf um ein Statussymbol. Sondern eher, wie ein kleines Kind es täte: Dieser Chefsessel ist nun mal ihrer. Nicht Kirks.
Sofia Boutella, 1982 in Algier geborene Tänzerin und Schauspielerin, dürfte mit der Rolle der Jaylah etwas Ähnliches erleben wie Benedict Cumberbatch, der sich als Khan in "Star Trek: Into Darkness" 2013 unwiderruflich ins Bewusstsein des Mainstreams gespielt hat - auch wenn sie jeden Morgen fünf Stunden in der Maske verbringen musste und deshalb nicht auf den ersten Blick als Sofia Boutella erkennbar ist. Sie mag die Unbekannte in der Besetzungsliste sein, ist aber auf allen Filmplakaten zu sehen und spielt eine aufregende, visuell einprägsame Rolle. Es schadet sicher auch nicht, dass die Drehbuchautoren das Zebra-Alien nach der derzeit gefragtesten Hollywood-Schauspielerin benannt haben: nach Jennifer Lawrence nämlich, die Boulevardmedien gern "J-Law" abkürzen.
Ein Neuling im Film ist Sofia Boutella längst nicht mehr. Sie hat die Hauptrolle in dem Tanzfilm "StreetDance 2" gespielt. In der Geheimdienst-Satire "Kingsman: The Secret Service" war sie eine Kickboxerin mit tödlichen Beinprothesen und plante mit Samuel L. Jackson die Ausrottung der Menschheit. Davor wirbelte sie in der Werbkampagne eines bekannten Herstellers von Sportkleidung als Breakdancerin herum. In einem Spot liefert sie sich mit einem riesigen Lautsprecher das, was man in diesem Sport einen "Battle" nennt, einen tänzerischen Kampf. Aus der Box wummern Hip-Hop-Bässe. Dazu vollführt Boutella Salti und wirft ihre Beine von hinten über den eigenen Kopf wie ein Schlangenmensch in einem ziemlich coolen Zirkus. Sie wolle, dass die Menschen durch ihren Tanz "Musik sehen können", sagte sie in einem Interview. "Es gibt kein Geheimnis dafür, wie man so etwas lernt. Nur Wiederholung." Das heißt: Üben, üben, üben.
Mit fünf begann Sofia Boutella, in Algier Ballett zu lernen. Als sie zehn war, zogen ihre Eltern, ein Jazzmusiker und eine Architektin, mit ihr nach Frankreich. Dort wechselte sie zu rhythmischer Sportgymnastik und trat mit 18 in die französische Nationalmannschaft ein. Später studierte sie am renommierten Berklee College of Music in Boston und wandte sich immer stärker dem Hip-Hop zu. Als professionelle Tänzerin gewann Boutella mit einer französischen Kompanie die Breakdance-Weltmeisterschaft. Mit ihren Auftritten in Musikvideos, unter anderem in "Hollywood Tonight" von Michael Jackson, Werbeclips und auf den Tournee-Bühnen von Superstars wie Madonna und Rihanna trug Boutella dazu bei, die Männerdomäne Breakdance zu durchbrechen.
In ihrem nächsten Film wird Sofia Boutella, ersten Fotos nach zu urteilen, wieder etwas besser zu erkennen sein - trotz der Rolle, die sie spielt. Es ist die Titelrolle im Film "The Mummy". Auf Deutsch: Die Mumie