Profil:Salvatore "Totò" Riina

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(Foto: dpa)

Der gebrechliche Strafgefangene ist immer noch der Boss der Cosa Nostra.

Von Oliver Meiler

Die Italiener nennen ihn belva, Bestie. Salvatore "Totò" Riina aus dem sizilianischen Corleone, Boss der Bosse der Cosa Nostra, mordete in der operativen Phase seiner blutrünstigen Herrschaft so viel wie keiner vor ihm. Er sprengte Richter in die Luft, ließ Kinder von Rivalen in Säure auflösen. Wenn er Mordaufträge erteilte, sagte er: "Lösch' ihn aus." 200 Morde sind ihm nachgewiesen worden. In 500 Fällen ermittelte die Justiz, manchmal fehlte der ultimative Beweis. Zugetraut hat man Riina aber immer alles. Er war stolz auf seine Brutalität, zeigte nie Reue. Nun ist Riina 86 Jahre alt. Und Italiens oberstes Gericht, der Kassationshof, wirft in einem Urteil die Frage auf, ob dem alten und kranken Mann, der seit 1993 in einem Gefängnis von Parma verwahrt wird, das Recht zugestanden werden müsste, "in Würde" zu sterben - vielleicht im Hausarrest in Corleone.

Die Empörung im Volk und in den Medien ist groß und erst einmal vorbeugend. Die obersten Richter wiesen den Fall nämlich an ein Tribunal in Bologna weiter. Dieses soll begründen, warum es Riina eine Hafterleichterung versagt, obschon er Nierentumore und Herzprobleme habe. Die unterschwellige Frage lautet: Ist der gebrechliche Mafioso, der nicht mehr gerade sitzen kann, noch immer so gefährlich, dass sich das harte Haftregime rechtfertigen lässt? Nach Meinung aller Mafiaexperten im Land ist die Antwort so klar wie verstörend: Ja, Riina ist auch liegend und siechend brandgefährlich. Oder wie es ein Richter sagte: "Er regiert mit den Augen, er braucht nicht zu reden." Cosa Nostra hat Riina nie ersetzt. Er gilt bis heute als "Capo dei capi", als Chef der Chefs.

Manchmal redet er auch noch gut verständlich. Vor zwei Jahren hörte die Polizei mit, wie Riina einem Zellennachbarn auftrug, den Mord an Staatsanwalt und Mafiajäger Nino Di Matteo einzufädeln: "Organisieren wir diese Sache", sagte er, "mit einer großen Nummer wie früher, und dann ist es vorbei, dieser Di Matteo geht nicht von selber weg." In Rom hielt man Riinas Drohung für so gefährlich, dass Di Matteo seitdem auf allen Wegen von vier gepanzerten Einsatzfahrzeugen begleitet wird.

Trotz seiner Gebrechen verpasst Riina keinen Termin im Prozess über die angeblichen Verstrickungen zwischen Staat und Mafia in den dunklen Jahren seiner Herrschaft. Er lässt sich dann jeweils in einen Saal mit Bildschirm schieben, auf dem die Verhandlungen aus dem Gericht von Palermo live übertragen werden. Einmal war er unpässlich, da wurde die Sitzung verschoben. Im Kopf ist Riina noch ganz da.

So wundern sich die Italiener, warum der Kassationshof die Sache mit dem würdevollen Tod ausgerechnet bei der belva aufbringt. Für den Reporter Attilio Bolzoni, der aus Sizilien berichtet, sendet der Staat da ein "verheerendes Signal" auf die Insel - 25 Jahre nach den Morden an den Richtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Riina hat beide ausgelöscht. Bolzoni schreibt: "Pflegt ihn, pflegt ihn gut. Aber drinnen, im Gefängnis."

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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