Profil:Ruth Bader Ginsburg

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Ruth Bader Ginsburg: Richterin am Supreme Court mit Gastauftritt im Wahlkampf. (Foto: Stephan Savoia/AP)

Richterin am Supreme Court mit einem Gastauftritt im Wahlkampf.

Von Hubert Wetzel

Es gibt unter all den Lautsprecher-Politikern in Washington eine kleine, feine Gruppe von Menschen, die lieber flüstern: Die Richter am Supreme Court, dem obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, haben wenig mit dem krakeelenden Alltagsbetrieb in der US-Hauptstadt zu tun. Die Juristen, ernannt auf Lebenszeit, sitzen in einem mit Säulen zugestellten weißen Gebäude, das wie ein griechischer Tempel aussehen soll, sie hören zu, wenn vor ihnen Fälle debattiert werden, sie wägen das Gehörte - und dann sprechen sie ein Urteil. Letztinstanzlich.

Nun hat eine aus diesem diskreten Kreis doch zum Megafon gegriffen. In mehreren Interviews - schon das ist eine Art Kulturbruch - hat Ruth Bader Ginsburg den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump scharf attackiert. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Land aussehen würde, wäre Donald Trump der Präsident", sagte Ginsburg der New York Times. Bei CNN legte sie nach: Trump sei ein "Täuscher". "Er sagt, was immer ihm gerade in den Kopf kommt." Und für den Fall, dass Trump Präsident werden sollte, zitierte sie ihren 2010 verstorbenen Mann, ebenfalls ein prominenter Jurist: "Es ist Zeit, nach Neuseeland auszuwandern."

Trump, der an Überfälle von älteren Damen - Ginsburg wurde 1933 als Tochter russisch-jüdischer Einwanderer in Brooklyn geboren - offenbar nicht gewöhnt ist, musste sich erst sammeln. Dann wehrte er sich, zunächst staatsmännisch: Solche parteipolitischen Äußerungen einer Richterin seien "höchst unangemessen", sagte er; später war er auf Twitter ganz er selbst: "Die hat einen Schuss - zurücktreten!"

Nun weiß jeder, dass Amerikas Verfassungsrichter klare politische Präferenzen haben. Bis zum Tod eines Richters vor einigen Monaten standen vier konservative Richter vier liberalen gegenüber, ein Richter galt als nicht festgelegt. Die Urteile des Gerichts haben viel mit Recht zu tun, aber auch einiges mit Politik. Denn wie man die Verfassung auslegt, hängt natürlich auch von den politischen Ansichten ab. Doch es ist ein Unterschied, ob diese Ansichten in einem juristisch fundierten Urteil durchschimmern - oder ob eine Richterin offen den Wahlkampf kommentiert. Selbst linke Kommentatoren waren sich nicht einig, ob Ginsburgs Wutinterviews klug waren oder nicht doch die Neutralität des Gerichts beschädigt haben. Sollte das Gericht sich irgendwann mit Trump beschäftigen müssen, gälte sie wohl als befangen.

Doch Gegenwind ist für Ginsburg nichts Neues. Sie hat eine makellose Karriere geschafft: Cornell, Harvard, Columbia, danach Professuren und ein Richteramt an einem Bundesberufungsgericht - alles zu einer Zeit, als Mädchen aus Flatbush, noch dazu junge Mütter, eigentlich keine Juristinnen wurden. Sie hat ihr ganzes Berufsleben für Frauenrechte gekämpft. Präsident Bill Clinton ernannte sie dann 1993 zur Verfassungsrichterin. Beides mag erklären, warum Ginsburg heute Wahlkampf für Hillary Clinton macht.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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