Profil:Paula Beer

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Schauspiel-Talent und Jurorin in Cannes, der auch die Franzosen erliegen.

Von David Denk

Mit dem "Feuervogel" fing alles an. Paula Beer war acht und offenbar schon damals mutiger als andere. Jedenfalls übernahm sie in der Theater-AG die Rolle, an die sich ihre Mitschüler an der Mainzer Montessori-Schule nicht heranwagten. Natürlich war sie aufgeregt - aber nur vor der Aufführung: "Sobald ich das erste Mal auf der Bühne stand, war ich infiziert."

Spätestens seit ihrer Rolle in François Ozons Historienmelodram "Frantz", für die sie 2016 bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Marcello-Mastroianni-Preis ausgezeichnet wurde, gilt sie als großes Nachwuchstalent. Seit Mittwoch sitzt sie in der Jury des neuen internationalen Serienfestivals in Cannes; sogar die anspruchsvollen Franzosen sind ihr erlegen. "Paula Beer dans les pas de Romy Schneider", stand in Le Figaro. Ein Romy-Schneider-Vergleich, viel mehr geht nicht. Und was macht Beer? Sie konzentriert sich weiter auf ihren Job, ihre Figuren. Die Schauspielerei sei "nie Schwärmerei" gewesen, hat sie mal gesagt, "sondern immer Teil meines realen Lebens". Ein wichtiger zwar, aber trotzdem nur ein Teil. Wie viele in ihrer Generation achtet die 23-Jährige auf die Balance zwischen Arbeits- und Privatleben, geht bouldern, strickt, verreist, lernt Sprachen. Gerade ist Spanisch dran.

Auf der diesjährigen Berlinale feierten gleich zwei Produktionen mit Paula Beer in der Hauptrolle Premiere: die am Donnerstag gestartete Verfilmung des Anna-Seghers-Romans "Transit" und die Investmentbanker-Serie "Bad Banks", die im März im ZDF und bei Arte zu sehen war (und es online immer noch ist). Und siehe da: Der "Frantz "-Hype war noch steigerbar. "Die Millionen Aufrufe in der Mediathek, die Briefe, die ich jeden Tag bekomme, das ist neu. Und toll", sagt Beer. "Ich habe das Gefühl, gesehen zu werden." Mit ihrer Anmut, Frische und Reife ist Beer ein Versprechen für die Zukunft des deutschen, ja des europäischen Films. "Transit"-Regisseur Christian Petzold, eigentlich kein Freund großer Worte, sieht in ihr einen kommenden Weltstar.

"Denke, Paula, du musst denken, während du spielst", hat Chris Kraus, der Regisseur ihres Filmdebüts "Poll", ihr gesagt. Da war Beer 14, und wenn man sagt, dass sie den Ratschlag beherzigt hat, ist das eine Untertreibung. Beer ist keine Bauch-, sondern eine Kopfspielerin. Sie erfühlt ihre Rollen nicht, sondern erarbeitet sie sich. "Wissen, Recherche und Forschung" nennt sie, was sie in "Vorbereitungsheften" über ihre Figuren zusammenträgt: "Ich bin da sehr systematisch, pingelig." Die Panikattacken von Jana Liekam in "Bad Banks" etwa habe sie erst spielen können, nachdem sie sich eingelesen und die Symptome genau definiert habe. "Das ist meine Verantwortung."

Die Umstände sind völlig andere, aber wie die Figur in "Poll" ist auch ihre Darstellerin früh erwachsen geworden - nicht zuletzt durch diese Figur. "Ich träume davon, dass ich meine kindliche Begeisterung nicht verliere", sagte Beer kürzlich. Die Sorge ist nicht ganz unbegründet: Für einen Menschen ihres Alters wirkt sie beinahe beängstigend beherrscht und reflektiert. Während die meisten Gleichaltrigen sich regelmäßig auf WG-Partys verausgaben, tut sie das am Set. Im Herbst wird sie im neuen Kinofilm von Florian Henckel von Donnersmarck ("Das Leben der Anderen") zu sehen sein; im Winter sollen dann die Dreharbeiten zur zweiten Staffel von "Bad Banks" beginnen.

Ungewöhnlich für ihr Alter ist an Paula Beer auch, dass sie sich von sozialen Medien wie Facebook und Instagram, mit denen Kolleginnen und Kollegen ihr Image pflegen, konsequent fernhält. "Es ist mir zu mühsam, immer präsent zu sein", sagt sie. Dass digitale Präsenz oft mit analoger Abwesenheit einhergeht, ist Beer ein Graus. Sie erlebe manchmal so tolle Sachen, sagt sie, "und dann sehe ich mich um, und alle sind nur mit ihrem Handy beschäftigt". Beer wüsste wohl auch gar nicht, was sie mit ihrem Telefon die ganze Zeit anstellen sollte: Sie hat ein altes Blackberry.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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