Profil:Michail Saakaschwili

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Ex-Präsident und Revolutionär, der gerne Räuber und Gendarm spielt.

Von Frank Nienhuysen

Am Mittwoch um sechs Uhr früh stapften Sicherheitsbeamte durch den Schnee zur Zeltstadt der Opposition in Kiew, wo sie den früheren Präsidenten von Georgien vermuteten. Zu Recht, denn dorthin war er ja auch geflüchtet. Als die Polizei das Lager stürmen wollte, war Michail Saakaschwili ins benachbarte Hotel Kiew geschlüpft. Er freute sich diebisch, denn er war wieder mal entwischt. "Haben wohl im falschen Zelt gesucht", sagte er, bestens gelaunt, dass er die Verfolgungsposse noch einmal anreichern konnte. Als ein BBC-Reporter ihn fragte, wie er sich fühle, rief Saakaschwili auf Englisch: "ideal". Kaum zu fassen die Geschichte - ganz offensichtlich wie auch Saakaschwili selbst.

Der 49-jährige Politiker scheint cineastische Augenblicke zu lieben, und diesmal dauerte die Sequenz besonders lange. Schon am Dienstag zeigte sich Saakaschwili mit verwirrtem Blick auf dem Dach seines Kiewer Wohnhauses, wo er minutenlang den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko beschimpfte. Ihm auf den Fersen waren Geheimdienstleute, die ihn zwar packen und verhaften konnten, dann aber ansehen mussten, wie der Oppositionspolitiker von Anhängern wieder aus einem Einsatzfahrzeug gezerrt wurde. Scheiben klirrten. Poroschenko dürfte glühen vor Wut.

Einst Freunde, sind die beiden nun erbitterte Feinde, und was könnte den Staat mehr ärgern, als dass ein verfemter Politiker Vollzugsbeamte zum Narren hält. Vor den Kameras und Fotoapparaten der Weltpresse entzog er sich dem Zugriff. Die ukrainische Führung wirft Saakaschwili Hochverrat vor. Er soll Umsturzpläne gehegt haben. Dabei hatte Poroschenko den von Georgien wegen Machtmissbrauchs gesuchten Ex-Revolutionär selber ins Land geholt. Als Gouverneur von Odessa sollte Saakaschwili die Korruption so radikal bekämpfen, wie er es einst als Präsident in Georgien gemacht hatte. Saakaschwili aber kennt offenbar nur Triumph oder Tragödie. In Georgien war er wegen erwiesener Hybris vom Hof gejagt worden, nun hat er in der Ukraine die Staatsmacht gegen sich aufgebracht.

Saakaschwili wirft Poroschenko immer wieder Korruption vor, fordert ihn zum Rücktritt auf. Damit spricht er vielen Ukrainern aus der Seele, weshalb er für den Präsidenten nicht nur anstrengend ist, sondern politisch auch gefährlich. Wenn Saakaschwili also die Zeltstadtbewohner im Zentrum Kiews auf seiner Seite hat, liegt das nicht unbedingt daran, dass sie ihn für besonders großartig halten. Sondern weil er derzeit der wohl pointierteste Kritiker Poroschenkos ist und so auch im Sinne deutlich aussichtsreicherer Oppositioneller wie etwa Julia Timoschenko ordentlich Stimmung gegen den Präsidenten macht.

Nur, wie lange noch? Der ukrainische Pass wurde ihm bereits genommen, Saakaschwili muss seine Auslieferung nach Georgien befürchten - und natürlich, dass ihn die Polizei doch noch auftreibt. Irgendwo, irgendwann.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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