Profil:Marcelo Rebelo de Sousa

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Portugals neuer Präsident und Gegengewicht zum Premierminister.

Von Thomas Urban

Seit der Wiedereinführung der Demokratie durch die "Nelkenrevolution" von 1974 haben die Portugiesen Sinn für politische Ausgewogenheit bewiesen. Es gab stets einen Wechsel zwischen gemäßigt konservativen und gemäßigt linken Regierungen. Überdies konnten nie zwei Politiker aus derselben Partei hintereinander das Amt des Regierungschefs bekleiden. Auch bei der Präsidentenwahl am Sonntag stellten die Portugiesen ihren Hang zur politischen Mitte wieder unter Beweis: Als Gegengewicht zu der erst seit zwei Monaten amtierenden Linksregierung unter dem Sozialisten António Costa wählten sie den gemäßigt konservativen Juraprofessor Marcelo Rebelo de Sousa zum Staatsoberhaupt.

Die meisten Wähler wollten offenkundig dem neuen Premier Costa die Grenzen aufzeigen. Denn dieser hat die politische Landschaft aus dem Lot gebracht. Noch vor wenigen Monaten, im Wahlkampf vor der Parlamentswahl, hatte Costa hoch und heilig versprochen, sich von den linksradikalen Gruppierungen fernzuhalten, welche die Vereinbarungen mit der Europäischen Union zur Sanierung der öffentlichen Finanzen des Krisenlandes aufkündigen wollen. Doch genau mit der Hilfe der beiden kleinen radikalen Fraktionen im Parlament ließ er sich dann zum Premier wählen.

Rebelo de Sousa hat in seinem Wahlkampf zwar der Linksregierung ein paar Akzentverschiebungen im Staatshaushalt zugunsten der ärmeren Bürger zugestanden. Aber er hat auch klargestellt, dass die internationalen Verpflichtungen von Lissabons einzuhalten seien. Portugal war 2011 mit einem Kredit über 78 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU vor dem Staatsbankrott gerettet worden.

Für Brüssel und auch Berlin sind die Aussagen des künftigen Präsidenten beruhigende Signale: Von Portugal wird kein Angriff auf die Stabilitätsprogramme der EU ausgehen. Der neue Präsident verfügt seit Langem über exzellente Kontakte in die deutsche CDU, auch ist er als ehemaliger Vizepräsident der Europäischen Volkspartei in der EU bestens vernetzt. Im seinem Heimatland wurde er nicht nur durch sein soziales Engagement bekannt, sondern vor allem durch ein Fernsehprogramm, in dem er seinen Landsleuten jovial und unterhaltsam den großen Lauf der Welt erklärt. Er selbst nennt die katholische Soziallehre seinen politischen Kompass.

So ist Rebelo de Sousa denn auch weltanschaulich eher liberal eingestellt; er ist geschieden und lebt seit drei Jahrzehnten mit einer Lebensgefährtin zusammen. In der Vergangenheit hat er sich auch als Vermittler bei politischen Konflikten bewährt. Nun will "Professor Marcelo" dafür sorgen, dass Portugal nicht wieder in Krisenzeiten zurückfällt. Den linksradikalen Gruppen im Parlament aber passt die Wahl des freundlichen 67-Jährigen überhaupt nicht. Einer ihrer Abgeordneten nannte ihn "das lächelnde Gesicht des harten Kapitalismus".

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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