Profil:Katarina Frostenson

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Der Skandal um die schwedische Lyrikerin entzweit die Nobelpreis-Jury.

Von Thomas Steinfeld

Die schwedische Lyrikerin Katarina Frostenson trägt seit vielen Jahren den Beinamen "die Schwierige". Und gewiss erscheint sie im persönlichen Umgang zurückhaltend, manchmal auch kühl. Mehr aber als ihr Auftreten beschreibt dieser Name ihre Lyrik, die sich allen Deutungen verweigert: Oft handelt sie von Dingwelten, vor allem in der Natur, aus denen dann scheinbar willkürlich einzelne Gegenstände zur Beschreibung herausgegriffen werden: "Träum ich", heißt es in einem dieser Gedichte, "es ist eine Hasel / Ich spiele blind. Da ist der Weg / Die Gleise. Die Stöße / der Schienen". Bekannt wurde Frostenson mit solcher Poesie in den Achtzigern, als die Anmutung kryptischer Kürze, die mehr zu verbergen als zu offenbaren scheint, noch etwas Neues war, zumal in Schweden. Und sie wurde nicht nur bekannt, sondern auch geehrt: mit vielen Preisen, vor allem aber mit einer Mitgliedschaft in der Schwedischen Akademie. Seit dem Jahr 1992 gehört Frostenson dem Gremium an, das den Nobelpreis für Literatur vergibt.

In den vergangenen Monaten rückte die Dichterin, aller Zurückhaltung zum Trotz, in das Zentrum eines Skandals, der die Schwedische Akademie in noch nie da gewesener Weise spaltet und an den Rand des Zusammenbruchs führt. Begonnen hat es im November mit einer Reportage der Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter, in der 18 Frauen den Mann Katarina Frostensons bezichtigten, seine Nähe zur Akademie systematisch ausgenutzt zu haben, um sexuelle Vorteile zu erlangen - vor allem bei Praktikantinnen und jungen Schriftstellerinnen. Möglich waren ihm solche Übergriffe durch einen von ihm gegründeten, kommerziell verfassten Kulturklub namens "Forum", der gleichsam als Probebühne, ja als erweitertes Wohnzimmer der Akademie diente und zum Teil von ihr finanziert wurde.

Im Verlauf des Skandals geriet dann auch Katarina Frostenson ins Zwielicht: weil sie Teilhaberin des Klubs ist und also über Subventionen an sich selbst entschieden hat, aber auch, weil sie angeblich die Namen zukünftiger Nobelpreisträger an ihren Mann weitergegeben hatte - der dieses Wissen möglicherweise zu persönlichen Zwecken nutzte. In beiden Fällen hätte Katarina Frostenson gegen die Statuten der Akademie verstoßen, die persönliche Vorteilsnahme ausschließen und von jedem Mitglied strenges Schweigen über die inneren Angelegenheiten des Gremiums verlangen.

Katarina Frostenson, 1953 in Stockholm geboren, ist die fünfte Frau, die überhaupt in die Akademie gewählt wurde. Sie gehört darin zu einer frankophilen Minderheit. In den Achtzigern lebte sie zeitweise in Paris, sie hat Emmanuel Bove und Henri Michaux übersetzt, ihr Mann stammt aus Frankreich. Ihrer Mitgliedschaft in der Akademie voraus ging eine Assoziation mit der literarischen Zeitschrift Kris (" Krise"), die, unter Führung des Literaturkritikers Horace Engdahl, eine auserwählte Leserschaft in Schweden mit den Gedanken französischer Theoretiker wie Jacques Derrida bekannt machte.

Nun, da sich die Akademie selbst in einer tiefen Krise befindet, sind es vor allem die alten Gefährten, auf die sich Frostenson verlassen kann: auf Horace Engdahl sowie auf den Literaturwissenschaftler Anders Olsson, einen der Gründer jener Zeitschrift. Die beiden bilden den Kern der Fraktion innerhalb der Akademie, die sich vergangene Woche dem Antrag verweigerte, Katarina Frostenson wegen mehrmaliger Verstöße aus dem Gremium auszuschließen - was zum Auseinanderbrechen der Akademie führte, als sich drei Mitglieder nicht dem Beschluss der knappen Mehrheit fügen wollten. Frostenson selbst ist, mitsamt ihrem Mann, seit Beginn des Skandals verschwunden. Sie wurde aufgefordert, freiwillig ihren Sitz in der Akademie aufzugeben, um die Institution womöglich noch zu retten. Am Donnerstagabend trat Frostenson zurück, die Akademie kollabierte trotzdem.

© SZ vom 13.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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