Profil:Joachim Herrmann

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Wie verwandelt wirkender Spitzenkandidat der CSU für Berlin: Joachim Herrmann. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Verwandelter Spitzenkandidat der CSU für die Bundestagswahl im September.

Von Wolfgang Wittl

Dass Joachim Herrmann genießen kann, zeigte er bislang nur, wenn er sich eine heiße Schokolade oder einen Eisbecher einverleibte. Seit Samstag weiß man: Er kann auch im Applaus schwelgen. Mit 98,4 Prozent kürte die CSU den bayerischen Innenminister zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl am 24. September. Herrmann musste sogar den Jubel der Delegierten abwürgen, damit die Versammlung überhaupt beginnen konnte. Später grinste er, beide Daumen nach oben gestreckt, wie selbstverständlich in die Kameras. Selbst Parteifreunde fragten sich: Ist das wirklich der Mann, den sie früher als "Balu" belächelt hatten, wie den gemütlich-tapsigen Bären im "Dschungelbuch"?

Herrmann, 60, hat eine Wandlung vollzogen, die ihm kaum einer zugetraut hätte. Wie befreit wirke er, sagen Freunde. Trotzdem hat er es geschafft, sich treu zu bleiben. Kürzlich hat er mit dem Mann telefoniert, den seine Kandidatur am meisten beunruhigen müsste: mit Thomas de Maizière (CDU). Herrmann wird bereits als nächster Bundesinnenminister gehandelt, sollte die Union die Wahl gewinnen. De Maizière müsste wohl weichen. Ja, man habe auch über persönliche Fragen gesprochen, sagte Herrmann. Mehr verriet er nicht. Die Anekdote steht beispielhaft für seinen Stil. Herrmann ist bis zur Sprachlosigkeit verschwiegen, höflich, korrekt, in der Sache aber verfolgt er stets einen klaren Kurs.

Für die CSU verkörpert der Mann aus Erlangen die ideale Klammer im Bundestagswahlkampf. Mit seiner rigorosen Haltung besänftigt er all jene, die Angela Merkel eine zu lasche Flüchtlings- und Sicherheitspolitik vorwerfen. Gleichzeitig hat er über die Kanzlerin öffentlich nie ein böses Wort verloren. Sogar beim berühmten CSU-Parteitag im November 2015, als Horst Seehofer die Kanzlerin auf offener Bühne rügte, klatschte Herrmann ihr als einer von wenigen Beifall. Interne Konflikte gehören für ihn auch intern ausgetragen.

Seit Jahren führt Bayern nahezu alle Sicherheitsstatistiken an, seit den Anschlägen im vorigen Sommer trat Herrmann verstärkt bundesweit in Erscheinung. Seine vermeintliche Schwäche, Zurückhaltung, wurde nun als Stärke erkannt, als Besonnenheit. Herrmann, so das CSU-Kalkül, wäre einer, mit dem auch die CDU Wähler zurückgewinnen könnte.

Schon vor sechs Jahren hätte der Franke als Minister nach Berlin wechseln können, damals lehnte er aus familiären Gründen ab. Er war einst stellvertretender Bundesvorsitzender der JU, seit 2008 ist er zweiter Stellvertreter des bayerischen Ministerpräsidenten - nun wird er zeigen müssen, dass er auch in der ersten Reihe besteht. Seehofer hat mehr als einmal mit ihm sprechen müssen, um ihn zu überzeugen. Jetzt geht Herrmann ins persönliche Risiko. Die Partei hat bereits erkennen lassen, dass sie seinen Einsatz honoriert. Das wird auch Markus Söder aufgefallen sein. Sollte sich die Frage nach noch höheren Aufgaben in der CSU stellen, könnte mit Herrmann zu rechnen sein.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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