Profil:Hissène Habré

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Ex-Diktator Tschads auf der Anklagebank wegen Menscheitsverbrechen.

Von Tobias Zick

Er wurde "der Pinochet Afrikas" genannt, ein Spitzname, den man sich auch auf dem an brutalen Diktatoren nicht gerade armen Kontinent erst einmal verdienen muss. Hissène Habré, 72, herrschte als Präsident von Tschad zwischen 1982 und 1990, in dieser Zeit hat er Schätzungen zufolge bis zu 40 000 Menschen töten und Abertausende weitere foltern lassen. Die Macht ergriffen hatte der frühere Rebellenführer aus dem Norden des Landes seinerzeit mit Unterstützung der USA und Frankreichs, die ihn als nützlichen Verbündeten gegen seinen libyschen Nachbarn Muammar al-Gaddafi schätzten. Ein Hauch bitterer Ironie schwang also mit, als Habré am Montag, als er zwangsweise einem Gericht in Senegals Hauptstadt Dakar vorgeführt wurde, "Nieder mit den Imperialisten!" rief.

Ein Vierteljahrhundert lang hat der Ex-Diktator weitgehend unbehelligt in Senegal gelebt; in das westafrikanische Land war er geflohen, nachdem er 1990 aus dem Amt geputscht worden war. Der frühere senegalesische Präsident Abdoulaye Wade setzte alles daran, seinen betuchten Gast vor Strafverfolgung zu schützen. Er ließ einen Haftbefehl der heimischen Justiz gegen Habré aussetzen, wies ein Auslieferungsgesuch aus Belgien ab und ignorierte die Forderung der Afrikanischen Union, den früheren Diktator in Senegal vor Gericht zu stellen. Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu nannte Wades Tricksereien eine "endlose politische und juristische Seifenopfer".

Unter dem Druck von Massenprotesten musste Wade 2012 sein Amt räumen, und sein Nachfolger Macky Sall machte den Weg frei für die Errichtung des Sondergerichts der Afrikanischen Union in der senegalesischen Hauptstadt Dakar, vor dem sich Hissène Habré nun wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten muss. Es ist das erste Mal, dass einem ehemaligen afrikanischen Staatschef in Afrika der Prozess gemacht wird, entsprechend groß sind die Erwartungen. Die Afrikanische Union wirft dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag seit Längerem vor, einseitig gegen Afrikaner vorzugehen und sich dadurch als rassistisch gefärbtes, politisches Instrument des "Westens" gegen ihren Kontinent zu erweisen - Menschenrechtsverletzungen, heißt es, müssten deshalb künftig in Afrika selbst geahndet werden. Der Prozess gegen Wade könnte insofern ein Präzedenzfall für die afrikanische Justiz werden.

Mindestens drei Monate lang dürfte das Verfahren dauern, etwa hundert Opfer von Habrés Gewaltherrschaft werden persönlich aussagen. Bereits die Tatsache, dass der Ex-Diktator sich deren Schilderungen anhören muss, ist für die Anwältin Jacqueline Moudeina "ein großer Sieg". Denn von den Opfern afrikanischer Gewaltherrscher war zuletzt bei allen Streitigkeiten zwischen der Afrikanischen Union und dem vermeintlich rassistisch motivierten Internationalen Strafgerichtshof kaum die Rede gewesen.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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