Profil:Hermann Parzinger

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Hermann Parzinger: Deutscher Werber für den Wiederaufbau von Palmyra. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Deutscher Werber für den Wiederaufbau der syrischen Ruinenstadt Palmyra.

Von Kia Vahland

Die Personalie war erstaunlich: Ein Prähistoriker soll Chef des wichtigsten Museumsverbundes in Deutschland werden? Ein Archäologe, der sich in Afghanistan und Russland durch Erdmassen gegraben hat, ein Fürsprecher längst untergegangener Kulturen - der soll die Zukunftsaufgaben der Berliner Kulturpolitik lösen?

Das war im Jahr 2008. Seither leitet Hermann Parzinger, 57, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren Museen, Forschungseinrichtungen, der Staatsbibliothek und einem Archiv. Die vom Bund und den Bundesländern finanzierte Stiftung beschäftigt 2000 Mitarbeiter.

Seit Parzingers Amtsantritt ist diese Institution viel mehr als ein bedeutender Kunst- und Wissensspeicher. Sie ist das Schaufenster, in dem sich Deutschland der Welt zeigt. Das wird so sein im Humboldtforum im Berliner Schloss, das Exponate aus aller Welt ausstellen will. Und es ist jetzt schon so, wenn es um Kriegszerstörungen von Kulturgütern geht. Gerade widmet sich in Berlin eine internationale Konferenz dem möglichen Wiederaufbau der syrischen Ruinenstadt Palmyra. Solche Gelegenheiten nutzt Parzinger, um ein bestimmtes Deutschlandbild zu vermitteln. Das Land sieht dann ein bisschen so aus wie der ruhige, um Sachlichkeit ringende Wissenschaftler. Von historischer Verantwortung ist die Rede und von Dialog, von praktischer Hilfe für syrische Kollegen und davon, dass man um der Kunst willen mit allen Seiten reden müsse. Hört man dem Münchner zu, dann könnte man fast vergessen, dass deutsche Kulturpolitik seit der Kolonialzeit immer mal wieder für Extremismus, Großmannssucht und kulturelles Hegemoniestreben stand.

Die Mischung aus Beharrlichkeit und Diplomatie hat sich Parzinger nicht in Museumssälen und bei Berliner Stehempfängen angeeignet, sondern in seinem früheren Leben als Grabungsleiter. Einmal entdeckte er in einem südsibirischen Hügel ein skythisches Fürstengrab voller Goldobjekte und schaffte es, den Fund vor den Arbeitern zu verheimlichen, bis endlich bewaffnete Wärter kamen.

Als Schwarzgurt im Judo weiß Parzinger, dass man kräftigere Gegner besser nicht frontal angeht, sondern ihnen zuhört, ihre Bewegungen studiert - und dann irgendwann, wenn sie kurz aus dem Gleichgewicht geraten, nur noch ein bisschen nachhelfen muss, um ans Ziel zu kommen. Sollte diese Strategie aufgehen, dann könnten seine Kooperationsprojekte mit russischen Museen irgendwann zu einer Rückgabe der 1945 geraubten Beutekunst an Deutschland führen. Und in Syrien würden demnächst nicht Putin und Assad, sondern Fachleute von der Unesco über Kulturgutschutz und den Wiederaufbau zerstörter antiker Stätten entscheiden.

Spezialisiert hat sich Hermann Parzinger übrigens auf Migrationsbewegungen in der Frühzeit der Menschheit. Wie aktuell dies bald werden würde, verstand bei seiner Ernennung vor acht Jahren auch noch niemand.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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