Profil:Hans Michel Piëch

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Hans Michel Piëch, kleiner Bruder von Ferdinand und großer Mann bei Volkswagen. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Kleiner Bruder von Ferdinand und großer Mann bei Volkswagen.

Von Thomas Fromm

Der eine war gerade weg, da tauchte der andere auf. Kaum war Ferdinand Piëch wie vom Erdboden verschluckt, da betrat sein jüngerer Bruder Hans Michel Piëch die Bühne. 74 Jahre alt, Rechtsanwalt in Wien. Sehr reich, sehr ruhig, sehr diplomatisch und am liebsten im Hintergrund.

Eine Art Anti-Piëch also.

Die Sache kam so: Wenn es irgendwo etwas zu repräsentieren gab, standen der langjährige Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch zwischen neuen Automodellen und lächelten in die Kameras. Der Patriarch und Clan-Chef, Milliardär und Auto-Zampano und sein oberster Angestellter - das Duo genügte, um der Welt zu zeigen, wer in diesem Konzern das Sagen hatte.

Vor mehr als einem Jahr dann kam es zum Bruch, der Alte zog sich nach einem verlorenem Machtkampf zurück, und als Winterkorn im Mai 2015 bei der VW-Hauptversammlung in Hannover wieder um die Autos streifte, da gingen zwei andere Herren neben ihm her. Den einen, VW-Miteigentümer Wolfgang Porsche, ebenfalls Milliardär und Clanchef, kannte man. Aber wer war dieser große, distinguierte Herr im Nadelstreifenanzug und den grau melierten, nach hinten gekämmten Haaren, der in der zweiten Reihe am Rand stand? Der Großaktionär Hans Michel Piëch sitzt schon seit 2009 im VW-Aufsichtsrat, und seit Jahren gilt er als Sprecher des Piëch-Clans. Sprecher vielleicht, aber Wortführer war immer der andere, der ältere Bruder Ferdinand.

Nun will Hans Michel Piëch auch das Wort führen. Kurz vor der VW-Hauptversammlung am kommenden Mittwoch hat der jüngere Bruder zusammen mit seinem Cousin und Mit-Aktionär Wolfgang Porsche, 73, der Bild-Zeitung ein Interview gegeben, und das allein ist schon bemerkenswert. Denn die Geschichte der Nachfahren des Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche, die über ihre Dachgesellschaft Porsche SE 52,2 Prozent der Stimmrechte von VW halten, ist eine Geschichte großer Zerwürfnisse, zahlloser Intrigen und noch mehr verbaler Tiefschläge.

Großes Dynastie-Kino, seit Jahren.

Das Aktionärstreffen in der kommenden Woche dürfte wegen der Dieselaffäre die wohl turbulenteste Veranstaltung werden, die der Konzern je erlebt hat. Milliardenklagen, rabiate Aktionäre, Anwälte, die auf die Barrikaden gehen: Bei so viel Ärger von außen wollen zumindest die Familien als Großaktionäre zusammenhalten. "Von zerstritten kann überhaupt keine Rede sein", sagte Hans Michel Piëch nun. In einer großen Familie würden die Dinge auch mal "kontrovers diskutiert".

Hinter den Kulissen sollen die Familienclans heftig darüber diskutiert haben, ob VW seinen Aktionären trotz eines Milliardenverlustes eine Dividende für das vergangene Geschäftsjahr zahlen soll. Für die reichen Familien geht es um, nun ja, etwas Geld. Für den Großaktionär Niedersachsen wäre es eine existenzielle Frage: Sein Anteil würde wegen des deutschen Aktienrechts wahrscheinlich unter die wichtige 20-Prozent-Hürde fallen, sollte die Dividende zwei Jahre nacheinander ausfallen. Das Land wäre entmachtet. Das Thema sei nun "vom Tisch", sagte Hans Michel Piëch, und es klang nicht zufällig wie ein Machtwort.

Was aber ist mit dem anderen, jetzt, wo der eine Interviews gibt und die Dinge auf offener Bühne klärt? Was macht eigentlich Ferdinand Piëch? Der alte Patriarch ist zwar seine Ämter los - aber hat er auch die Macht abgegeben? Einige meinen, er würde als unsichtbares Familien-Phantom noch immer seine Strippen ziehen. In der vergangenen Woche zum Beispiel, berichten Insider, habe er sich für die Hauptversammlung der VW-Lkw-Tochter MAN in München angemeldet. Piëch ist zurück - die Nachricht allein genügt wohl schon, um einige im Konzern strammstehen zu lassen. Dann aber soll das Phantom sein Erscheinen wieder abgesagt haben. Zurück bleibt dieses unbestimmte Gefühl: Er ist immer noch da. Auch wenn der andere jetzt das Wort führt.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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