Profil:Hamed Sinno

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(Foto: Hussein Malla/dpa)

Schwuler Sänger einer libanesischen Band, jetzt im Bann der Staatsmacht.

Von Paul-Anton Krüger

Zehn Tage hatten Sänger Hamed Sinno und die anderen Mitglieder der libanesischen Indie-Rock-Band Mashrou' Leila geschwiegen. Sie hatten mit Aktivisten und Menschenrechtlern in Ägypten gesprochen und hofften, dass Zurückhaltung die Situation beruhigen könnte. Vergebens. Am 22. September hatte die fünfköpfige Gruppe ein umjubeltes Konzert vor Zehntausenden Menschen in Kairo gegeben. Im Publikum wurden einzelne Regenbogen-Flaggen geschwenkt. Frontmann Hamed Sinno ist offen schwul, was im Nahen Osten weithin keine Akzeptanz findet, bei Muslimen wie Christen gleichermaßen.

Ägyptens Behörden starteten nach dem Konzert eine Hetzjagd, die alle Verfolgungswellen gegen Homosexuelle der vergangenen Jahre in den Schatten stellt, sekundiert von staatsnahen und staatlichen Medien. Der Generalstaatsanwalt, zuständig für Terrorismus, übernahm die Ermittlungen wegen "Anstiftung zur Homosexualität". Sinno und die Band, inzwischen in den USA auf Tour, haben nun ihr Schweigen gebrochen, da die Polizei mehr als 50 Menschen verhaftet hat, von denen etliche nicht mal das Konzert besucht hatten.

"Wir können nicht ansatzweise erklären, wie traurig wir sind, dass wieder eine neue Ära der rückwärtsgerichteten Tyrannei über eines unserer liebsten Länder und die Zuschauer kriecht", schrieben sie auf Facebook. Die Verfolgung lasse sich nicht trennen von der "erstickenden Atmosphäre" und "der Angst vor Misshandlung", in der alle Ägypter tagtäglich lebten - völlig unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Sinno und Kollegen, inzwischen mit Auftrittsverbot in Ägypten belegt, riefen zu internationaler Solidarität auf.

Der 29-jährige Sänger, in der libanesischen Hauptstadt Beirut geboren, ist von Anfang an offen mit seiner Homosexualität umgegangen - eine Entscheidung, die viel Mut erfordert und in der er von den anderen Band-Mitgliedern unterstützt wird, wie er 2013 in einem Interview sagte. "Ich hatte mein Coming-out schon, bevor es die Band gab", sagte er. "Das kann man nicht aus Marketinggründen zurückdrehen. Auf dem Debüt-Album 2009 sang Sinno das Stück "Schem al-Jasmin", zu Deutsch "Riech den Jasmin", ein Lied, gerichtet an seine erste Liebe. Es handelt von dem Gedanken, seinen Freund den Eltern vorzustellen - und dass er unerreichbar ist.

Oft auch wegen äußerlicher Ähnlichkeiten mit Freddie Mercury verglichen, dem ebenfalls schwulen Sänger der britischen Rockband Queen, hat Sinno sein Bekenntnis zur Homosexualität als Botschaft und Ermutigung gesehen für Menschen, die unterschiedliche sexuelle Orientierungen haben. Das hat ihn zur Identifikationsfigur gemacht, auch wenn er klarstellt, für niemanden zu sprechen als für sich selbst. Er will nicht auf das Thema reduziert werden. In seinen Texten prangert er mit beißendem Sarkasmus Missstände in der arabischen Welt an. Im Ägypten von Präsident Abdel Fattah al-Sisi will das Regime solche Töne nicht hören.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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