Profil:Hailemariam Desalegn

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Merkel-Gastgeber und autoritärer Ministerpräsident Äthiopiens.

Von Isabel Pfaff

Wenn Angela Merkel an diesem Dienstag den äthiopischen Ministerpräsidenten trifft, dürfte es zumindest auf der formalen Ebene gesittet zugehen. Beide Regierungschefs mögen eher die leisen Töne, herumpoltern ist ihnen fremd. Allerdings sollte man sich von Hailemariam Desalegn nicht täuschen lassen: Der 51-jährige Äthiopier mag im Gespräch ein sanfter Typ sein. Seine Politik ist es nicht.

Der studierte Bauingenieur regiert das Land am Horn von Afrika seit dem Tod seines Vorgängers Meles Zenawi. Damals, 2012, hatten viele Beobachter gehofft, dass sich etwas ändern würde in Äthiopien, schließlich hatte der Neue wenig Ähnlichkeit mit dem Ex-Rebellenkämpfer Meles Zenawi. Der Nachfolger gilt als Technokrat, er hat wenig Charisma, er kommt nicht aus dem Militär und gehört auch nicht zu dem dominierenden Volk der Tigray, sondern entstammt einer kleinen Ethnie im Süden. Doch der Mann, der unter Meles Zenawi Außenminister und Vize-Premier war, machte exakt so weiter wie sein Vorgänger - derzeit könnte man sogar meinen, er wolle ihn übertrumpfen.

Äthiopien gilt als Paradebeispiel einer sogenannten Entwicklungsdiktatur: Demokratische Freiheiten zählen hier wenig, wirtschaftlicher Fortschritt umso mehr. Massive staatliche Investitionen haben das Land modernisiert und die Armut deutlich reduziert, zeitweise wuchs die Wirtschaft zweistellig.

Doch seit einigen Monaten zeigt sich, dass viele Äthiopier sich diesem autoritären Entwicklungsmodell nicht mehr beugen wollen. Ende 2015 brachen im Gebiet der Oromo, der größten Bevölkerungsgruppe, erste Unruhen aus. Sie hatten sich an Landfragen entzündet, wurden aber befeuert von dem Gefühl, politisch nicht mitbestimmen zu können. Inzwischen haben die Proteste auch andere Regionen erfasst, sogar in der Hauptstadt Addis Abeba blockieren Demonstranten ganze Zufahrtsstraßen. Die anfangs friedlichen Märsche eskalieren zunehmend, Geschäfte werden attackiert, Steine fliegen. Äthiopien ist in Aufruhr wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Und der Premier? Der reagierte von Anfang an mit Waffengewalt. Nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern haben Polizei und Armee seit Beginn der Proteste mehr als 500 Demonstranten getötet, Tausende sollen festgenommen worden sein. Hailemariam Desalegns Regierung bezeichnet die Zahlen als überzogen - wohl wissend, dass es in Äthiopien kaum noch unabhängige Beobachter gibt, die das überprüfen könnten. Am Sonntag hat der Premier nun für sechs Monate den Notstand verhängt. "Die Sicherheit unserer Bürger steht für uns an erster Stelle", begründete er den Schritt, der den Sicherheitskräften noch mehr Freiheiten einräumt.

Für die Kanzlerin sind das schlechte Nachrichten. Eigentlich braucht sie Hailemariam Desalegn, er soll helfen, die vielen Flüchtlinge vom Horn von Afrika an der Weiterreise zu hindern. Der leise Premier ist ein heikler Gastgeber.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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