Profil:Gilad Scharon

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Den israelischen Jung-Politiker belastet das heikle Erbe einer Dynastie.

Von Peter Münch

In der israelischen Politik ist es gewiss kein Nachteil, der Sohn vom Sohn vom Sohn zu sein. Dynastien werden hier gern gepflegt, man sieht es an den Begins, den Herzogs und den Lapids. Doch wenn sich nun in der Familie Scharon wieder ein Spross aufmacht in Richtung Macht, erscheint das dennoch alles andere als selbstverständlich. Denn erstens ist das Erbe des Anfang 2014 nach achtjährigem Koma verstorbenen Ex-Premiers Ariel Scharon höchst umstritten. Zweitens will sein Sohn Gilad ausgerechnet bei der Likud-Partei einsteigen, die sein Vater im Streit verlassen hatte.

Der knapp 50-jährige Gilad Scharon ist ein eher stiller und zurückhaltender Mann - und damit ziemlich genau das Gegenteil des Vaters, der sich den Beinamen "Bulldozer" in einer langen Armee- und Politikkarriere redlich verdient hatte. Doch dieser Vater ist bis heute der Fixstern geblieben, an dem sich Gilad orientiert. Die Nachfolge hatte sich bislang allerdings darauf beschränkt, die Familienfarm in der Negev-Wüste zu führen, wo er mit Frau und zwei Kindern lebt. Während sein älterer Bruder Omri schon in der Knesset - und später wegen illegaler Wahlkampffinanzierung auch im Gefängnis - saß, beschäftigte er sich mit Bullenzucht und Schafehüten. Das ist erklärtermaßen auch die wahre Leidenschaft des Vaters gewesen, und dem Sohn war es ein Auftrag.

Auch in den acht langen Jahren, die Ariel Scharon im Koma lag, war sein Sohn Gilad an seiner Seite. Er las ihm die Nachrichten vor und ließ ihn Mozart hören, sogar Schawarma soll er mit ins Krankenzimmer gebracht haben, um ihn in seiner fernen Welt am Fleischgeruch teilhaben zu lassen. In einer Biografie, die er 2011 unter dem Titel "Scharon: Das Leben eines Führers" veröffentlichte, beschreibt er den sterbenskranken Vater, der "wie ein Gutsherr" im Bett liege, "mit frischen, roten Wangen".

Wenn ihm nun der Schatten des Vaters auf dem Weg in die Politik folgt, birgt das jedoch auch Probleme. Zum einen wird Ariel Scharon im rechten Lager immer noch heftig verübelt, dass er 2005 den Rückzug von Soldaten und Siedlern aus dem besetzten Gazastreifen durchgesetzt hatte. Zum anderen könnten noch ein paar klebrige Korruptionsgeschichten hochkommen, in denen der Vater und die Söhne Scharon als gierige Dreieinigkeit aufscheinen.

Ach ja, und dann gibt es da noch den alten Familienzwist mit Benjamin Netanjahu. Schon der Vater konnte ihn nicht ausstehen, und es ist noch nicht allzu lange her, dass auch Gilad Scharon den amtierenden Premierminister einen "Umstürzler" und einen "Feigling" nannte. Seitdem er aber nun eigene politische Ambitionen in Netanjahus Partei zu erkennen gegeben hat, ist er vorsichtiger und lobt sogar dessen Erfolge. Dem Likud, so erklärte er nun in einem Interview, schließe er sich an, weil die Partei pragmatisch und vor allem an der Regierung sei. "Ich sorge mich um das Land", sagte Gilad Scharon, "und ich will etwas bewegen."

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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