Profil:George Osborne

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Britischer Finanzminister und EU-Freund mit Drang zu Höherem: George Osborne. (Foto: Reuters)

Den britischen Finanzminister und EU-Freund drängt es nach oben.

Von Christian Zaschke

In seinen Studientagen trug der britische Finanzminister George Osborne den wenig schmeichelhaften Spitznamen "The despicable oik" - der verachtenswerte Prolet. Das mag etwas erstaunlich klingen, wenn man bedenkt, dass Osborne Sohn des 17. Baronets von Ballintaylor und Ballylemon ist, auf eine Privatschule ging und in Oxford Neuere Geschichte studierte. Seine elitären Freunde spielten mit dem Spitznamen darauf an, dass Osborne die Privatschule St. Paul´s in London besuchte - zweifellos eine exzellente und teure Schule, aber eben nicht eine der teuersten wie Eton oder Harrow.

Auch auf der Schule wurde Osborne lange gehänselt, allerdings aus einem anderen Grund: Sein Vorname lautete Gideon, was die Mitschüler sehr erheiterte. Also änderte er ihn in George. Freunde erzählten, dass dahinter auch Osbornes Überlegung stand, die Briten könnten Vorbehalte haben, einen Mann namens Gideon zum Premierminister zu wählen. Genau diesen Posten aber strebt Osborne bereits seit seiner Jugend an.

Schon im Alter von 30 Jahren wurde er 2001 Abgeordneter im Unterhaus, vier Jahre später saß er im Schattenkabinett. Nach dem Wahlsieg der Konservativen im Jahr 2010 wurde er Finanzminister und galt rasch als unbeliebtester Politiker der Regierung, was an seiner kühlen Ausstrahlung lag und an dem radikalen Sparkurs, den er dem Land verordnete. Für Premier Cameron ist Osborne wichtigster Verbündeter im Kabinett. Die Amtssitze der beiden Männer liegen direkt nebeneinander in der Downing Street, die Verbindungstür zwischen Nummer zehn und Nummer elf stehe immer offen, heißt es. Osborne hat 2005 Camerons Bewerbung um den Parteivorsitz gemanagt, er war 2010 und 2015 maßgeblich am Entwurf der Wahlkampfstrategie der Tories beteiligt, und er ist es, der die nähere Zukunft der Partei plant.

In dieser Zukunft hat er sich selbst eine entscheidende Rolle zugedacht: Cameron will nicht für eine dritte Legislaturperiode antreten, und Osborne ist Favorit für die Nachfolge. Sein größtes Hindernis könnte die Volksabstimmung über die britische EU-Mitgliedschaft werden. Zwar hat Osborne während seines Deutschland-Besuchs in dieser Woche Reformen in der Europäischen Union gefordert, aber er ist entschiedener als sonst ein Kabinettsmitglied für den Verbleib in der Gemeinschaft. Sollten die Briten für den Austritt stimmen, wäre Osborne politisch wohl so beschädigt, dass er seine Hoffnungen auf den Parteivorsitz und damit auf das Amt des Premiers aufgeben müsste.

Noch ist unklar, ob Cameron bis 2020 im Amt bleibt oder den Posten bereits früher räumt. Osborne hat sich in der Partei ein riesiges Netzwerk geschaffen, um bereit zu sein, wenn Cameron abtritt. Wie wichtig diese Vorbereitung ist, hat er sich bei seinem Vorbild abgeschaut: Die Autobiografie "Mein Weg" des früheren Labour-Premiers Tony Blair zählt zu Osbornes Lieblingsbüchern.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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