Neuer UN-Flüchtlingskommissar:Optimist mit Mut und Hoffnung

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Er war im Kriegseinsatz und arbeitet seit Jahrzehnten in Diensten der UN. Nun soll der Italiener Filippo Grandi neuer Hochkommissar für Flüchtlinge werden.

Von Andrea Bachstein

Allein die Vorstellung würde die meisten Menschen wohl erdrücken - zuständig zu sein für die Sicherheit und das Überleben von bis zu 60 Millionen Menschen. So viele Flüchtlinge gibt es auf der Welt derzeit, und für zwei Drittel von ihnen sorgt der UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen.

In den vergangenen zehn Jahren stand der Portugiese António Guterres an der Spitze der Organisation, nun hat UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon den Italiener Filippo Grandi als neuen Hochkommissar für Flüchtlinge nominiert. Dass der 58-Jährige die Zustimmung der UN-Vollversammlung bekommt und seinen Posten Januar 2016 antreten kann, gilt als Formsache.

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Grandi hat immer wieder Kriseneinsätze absolviert

Grandi kennt die in Genf ansässige, älteste und derzeit wohl wichtigste UN-Organisation gut. Der gebürtige Mailänder arbeitet seit Jahrzehnten in Diensten der UN, unter anderem war er von 1988 bis 2004 Kabinettschef der damaligen Flüchtlingskommissare. In den vergangenen zehn Jahre leitete er das UNRWA, das UN-Hilfswerk für die 4,7 Millionen Palästinenser-Flüchtlinge. Davor hatte er einen hohen Posten bei der UN-Hilfsmission in Afghanistan inne. Grandi hat immer wieder Kriseneinsätze absolviert - im ersten Golfkrieg im Irak, in Jemen und in afrikanischen Ländern, unter anderem im Kongo, als sich dorthin im Jahr 1994 eine Million Menschen vor dem Genozid in Ruanda rettete.

Zum kalten Routinier haben all die miterlebten Tragödien Grandi nicht werden lassen. Der Italiener scheint in sich etwas von dem jungen Mann bewahrt zu haben, der vor 30 Jahren als freiwilliger Helfer kambodschanischen Flüchtlingen in Vietnam begegnete, und beim Anblick eines sterbenden Kindes dachte, er sei eigentlich nicht gemacht für solche Arbeit. Von diesem Erlebnis erzählte er vor ein paar Monaten Studenten. "Damals begann ich zu begreifen: Auf schieres Leid gibt es nur eine Antwort - Solidarität." Schlau, ja trickreich müsse man sein, und vor allem politisch denken, "guter Wille reicht nicht". Vor allem brauche man Geld.

Flüchtlingswerk hängt von freiwilligen Gaben von Staaten ab

Sieben Milliarden Dollar benötigte das UNHCR im Jahr 2015. Und Teil der Arbeit des Hochkommissars ist es, bei Regierungen darum zu betteln. Auch wenn es einen UN-Notfonds gibt - das Flüchtlingswerk hängt ab von freiwilligen Gaben von Staaten, zwischenstaatlichen Institutionen und Privatleuten. Und es wird immer mehr zugesagt als gegeben.

Die Organisation, die Grandi steuern wird, ist in 123 Ländern präsent und hat 9300 Mitarbeiter in Kooperation mit anderen Helfern im Einsatz. Der Schutz von Flüchtlingen ist die Aufgabe des UNHCR, ob nun Naturdesaster oder Kriege die Menschen verjagen. Es geht dabei um alles: Nahrung, Unterkunft, Rechtsbeistand, Umsiedlungs- und Rückkehrhilfe, Schulen, Häuserbau. Zu viele Aufgaben, könnte man angesichts der Flüchtlingsdramen denken. Grandi sieht das anders: "Es lohnt die Mühe weiterzumachen, auch wenn man keinen Ausweg sieht. Es gibt immer Hoffnung."

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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